Krauseneck, Gustav Adolf

Gustav Adolf Krauseneck an Ernst Haeckel, Triest, 17. Dezember 1891

Triest, am 17. Dec. 91.

Hochverehrter Herr Professor!

Die gedruckte Anzeige sagte Ihnen, daß wir unsere liebe gute Emilie verloren haben. Aber denken Sie sich unseren Schmerz: Sie hat sich selbst das Leben genommen. Das arme Kind litt unter Nervosität in sehr hohem Grade, die sich schon öfters zu Melancholie gesteigert hatte & so faße sie jedes Ereigniß, auch wenn es erfreulich war, schwer und trüb auf.

Mein Schwager wurde aber zum Regimentscommandeur in Pola ernannt & auch dies, was uns Alle eine so große Freude war, versetzte sie durch die Unbequemlichkeiten des Umzuges & || die vielen kleinen Unbehagen, die dabei vorkommen, in eine sehr gedrückte Stimmung. Aber doch schien sie normal & nichts ließ ahnen, was in dem armen Gehirn vorging. Am Tag & Abend vorher sah sie uns Alle & war heiter, schrieb ihrem Mann, der schon in Pola war, einen völlig ruhigen Brief, selbst am Morgen selbst ließ sich nichts ungewöhnliches bemerken, sie schrieb auch einen gleichgültigen Zettel an ihre Mutter. Dann war sie für einige Augenblicke allein in der Wohnung und erschoß sich mit dem Revolver ihres Mannes. Zwei Schüße in Brust & Kopf brachten den Tod in wenigen Minuten. Es ist ganz unfaßbar. Sie hat selbst geladen & mit dem Schuß in der || Brust noch einmal gespannt und sich in die Schläfe geschoßen. War das der Ausbruch des Wahnsinns, wie sollen wir es sonst uns denken? Keine Zeile an irgend wen ist vorhanden und sie hatte doch so Viele, mit denen sie unendliche Liebe verband. Sie hatte in der glücklichsten Ehe, selbst sagte sie ja oft, daß sie sehr glücklich sei & doch verfiel sie immer wieder in Trübsinn. Es ist so schrecklich, so unfaßlich! Denken Sie sich die armen Eltern, den Mann, uns Alle; aber sie hat ja gewiß keine Ahnung gehabt, was sie anrichtet. Mein armer Vater wird den Schlag nicht lange überleben, er ist ganz & gar gebrochen. Unser || Aller Glück ist zerstört, der gute, liebe Mann völlig vernichtet.

Ich weiß, daß Sie uns allen nahestehen und wollte Ihnen sagen, daß wir, in unserem Unglück, in treuer Freundschaft oft Ihnen und Ihrer lieben Tochter danken und ihr alles denkbar Beste für’s Leben wünschen. Ihre Einladungen hatten noch so viel angenehmen Gesprächsstoff gebracht und der Vater uns Alle sehr erfreut. Nun ist die Freude aus dem guten alten Haus gewichen!

In inniger Verehrung und mit den herzlichsten Grüßen von uns Allen

Ihr ergebener

Gustav Krauseneck

 

Letter metadata

Recipient
Dating
17.12.1891
Place of origin
Country of origin
Possessing institution
EHA Jena
Signature
EHA Jena, A 27782
ID
27782