Karl Möbius an Ernst Haeckel, Kiel, 11. August 1868
Kiel, d. 11. August 1868.
Verehrter Herr Kollege!
Mit besonderer Freude lese ich im literarischen Wochenbericht aus Leipzig, daß Ihnen von Utrecht und London aus ehrenvolle Anerkennungen für Ihre „Morphologie“ zu Theil geworden a sind und kann nicht unterlassen, Ihnen dazu Glück zu wünschen.
Es hat wohl noch Niemand durch eine neue, Vieles zusammenfassende Theorie Alle befriedigt, welche gewohnt waren, die Masse des Wissens in anderer Art in ihrem Kopfe oder auf Druckpapier summirt || zu sehen. Vollführt aber Einer ein Werk, in welchem er den gesammten Stoff einer Wissenschaft nach einem Prinzip ordnet, dessen Möglichkeit unbestreitbar ist, so verdient er mit vollem Rechte den Dank aller derjenigen, die in dieser Wissenschaft arbeiten und mitgenießen, was Andere erarbeitet haben, mögen auch Urtheilsfähige erkennen, daß er nicht ohne Irrungen gearbeitet hat.
So dürfte denn kein Zoologe ohne frohe Theilnahme vernehmen, daß Sie in Holland und England für Ihr reichhaltiges Werk verdientermaßen gefeiert worden sind.
Wie Sie oben gesehen haben, schreibe ich jetzt von Kiel aus meine || Briefe, unaussprechlich beglückt, daß ich nun ganz der Zoologie leben kann.
Die Regelung äußerer Sachen, die Ordnung des Museums nehmen mir jetzt so viel Zeit, daß ich noch nicht zur rechten Ruhe wissenschaftlichen Arbeitens kommen konnte. Dennoch bin ich froh über Alles was ich in meinem Amte für die Zoologie an unserer Universität zu thun habe.
Ihr
freundlich ergebener
Karl Möbius.
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