Wilhelm Ostwald an Ernst Haeckel, Grossbothen, 30. März 1914
WILHELM OSTWALD
GROSS-BOTHEN, DEN 30.3.1914
LANDHAUS ENERGIE
Herrn Prof. Dr. E. Haeckel, Jena Bergstrasse
Verehrter und lieber Freund
Die Angelegenheit Dornbusch habe ich nach bestem Wissen erledigt. Der Mann hat es viel
zu eilig, und ich habe ihm geschrieben, dass wir seinetwegen nicht die regelmässigen Arbeiten der Unterrichtskommission des Bundes unterbrechen oder abändern können. Er
möge seine hundert Frank in den Haeckelschatz stiften.
Von den freundlichst mitgesandten Drucksachen habe ich mit lebhaftem Interesse Kenntnis
genommen und schicke Sie Ihnen dankend wieder zurück. Den Katechismus von L. Frei halte ich allerdings für ganz verfehlt, und ich würde ihn meinerseits nicht für den Gebrauch zum Unterricht der Jugend empfehlen können.
Dass Ihnen die beiden dicken Bände unserer Dank- und Festschrift Freude machen, ist mir eine grosse Genugtuung. Ich bin allerdings überzeugt, || dass Sie eine derartige einmütige
Bestätigung des wohlverdienten Dankes unmittelbar lebensverlängernd auf Sie wirken wird, wenn Sie täglich davon einige Seiten wie ein Glas stärkenden Trankes geniessen.
Inzwischen geht es im Bunde rüstig weiter. Soeben schweben Verhandlungen über eine weitere Stiftung von 15000 M für den Haeckelschatz. Ebenso hat unser Schatzmeister seinen
guten Rat für ein Testament gegeben, welches 40000 M dem Bunde zuwenden wird.
Vermehren sich derartig unsere Mittel, so können wir daran denken, unsere monistische
Unterrichtszentrale zu gründen, wo wir einerseits unsere Redner und die künftigen Lehrer der weltlichen Ethik ausbilden und andererseits einen entsprechenden Musterunterricht für Kinder und die reifere Jugend organisieren.
So wächst sich das von Ihnen gepflanzte Reis mit erfreulicher Geschwindigkeit zu einem
stattlichen Baume aus.
Mit den herzlichsten Grüssen
Ihr ganz ergebener
W Ostwald