Gudrun Felser an Ernst Haeckel, Graz, 31. Juli bis 2. August 1919

Graz 31/7.1919.

Hochverehrten Herrn Professor Dr Ernst Haeckel! Jena.

Wie eine Vorläuferkarte Euer Wohlgeboren bereits angezeigt, kam die mir so wertvolle Sendung, den 30/6. ziemlich verspätet hier an. – Hochverehrter Herr Professor haben mir mit der Widmung Ihrer Schriften und die so liebenswürdige Übersendung eine ungemein große Freude bereitet! Aus warmen Herzen spreche ich Ihnen den innigsten, herzlichsten Dank aus!

Mir ist durch Ihre Liebenswürdigkeit geworden was als stiller Wunsch schon längst in mir gelegen. – Seit Jahren, seit Jahrzehnten schon, trug ich das Verlangen Sie hochgeschätzter Professor einmal grüßen zu dürfen, Ihnen geistig die Hand drücken zu können in Verehrung & Dankbarkeit. – So mögen Herr || Professor meine große Freude ermessen. – Freude – was ist das nun für ein seltenes, kostbares Ding geworden! Man muß weit zurück in die Vergangenheit tauchen um sie voll & schön aufblühen zu lassen. Glücklich mag man sich preisen, daß man Schönes, Reines so herrlich & warm erleben durftea, daß es uns noch das Leben hellt & wärmt in harter, öder Zeit. Und dieses Glück, wir verdanken es in erster Linie unseren geistigen Führern.

Viel, viel Dank sind wir da Ihnen hochverehrter Herr Professor schuldig geworden & wir suchen ihn abzutragen durch größte Wertschätzung & tiefe Verehrung. –

Mein Sohn Richard (Philosoph) hatte im Jahre 1911 den Monistenkongreß in Hamburg mitgemacht & war dann mit den Monisten in Jena zur Begrüßung. Er hat Sie gesehen & gehört Herr Professor, & er nennt diese Augenblicke b unvergeßlich, & reiht sie zu den schönsten seines Lebens.

2/8. In sonniger Erinnerung leuchtet mir mein Heimattal, die schneebedeckten Berge, der silberne See. – Gestalten tauchen auf, markig, blauäugig, von herzerquickender Offenheit. – –

Und noch schauen die schneebedeckten Bergriesen ins grüne Tal, es kräuseln & überschlagen sich die Wellen am See & murmeln ein eintönig Lied. – Sie raunen sich zu vom Werden, Kommen & Vergehen, von Liebe & Sehnsucht. –

Der Geist aber jener Höhen, er segnet still sein Tal. – In hellem Leuchten zieht er seine Kreise aufwärts – fernwärts, & seine Strahlen treffen auch uns. Wir fühlen sie als liebe Mahnung an schöne sonnige Tage, an freie, frohe Menschen, || als Gruß des stillen Schläfers unter dem Epheuhügel – unseres Deubler. –

Aus dieser warmen Erinnerung heraus grüße ich Sie hochverehrter Herr Professor recht vom Herzen, in Deubler-Sinn & Deubler-Treue!

In Verehrung und Dankbarkeit

ergebene

A. Gudrun Felser-Schüller

aus Ischl.

a korr. aus: durften; b gestr.: als

Brief Metadaten

ID
2148
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Österreich
Entstehungsland zeitgenössisch
Österreich-Ungarn
Zielort
Zielland
Deutschland
Datierung
31.07.1919
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,9 x 16,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 2148
Zitiervorlage
Felser, Gudrun an Haeckel, Ernst; Graz; 31.07.1919; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_2148