Ernst Reimer an Ernst Haeckel, Berlin 25. Dezember 1870
Berlin 25. December 1870
Lieber Ernst
Am nächsten Freitag den 30ten Abends 6½ Uhr soll unser Neugeborenes getauft werden und würde es uns viele Freude und große Ehre bereiten, wenn Du die Gevatterschaft übernehmen und damit ein Interesse an dem kleinen Fräulein nehmen und bewahren wolltest.
Da Du aber Deiner lieben Agnes wegen, der ich die besten Grüße und dringendsten Wünsche für das neue Jahr schon jetzt mit besonderer Beziehung zu bestellen bitte, diesmal Deine Eltern zu Weih-||nachten nicht besuchen und somit auch leider bei der Taufe nicht anwesend sein kannst, so müssen wir bitten zu seiner Zeit besonders unserer in Liebe zu gedenken und im Stillen Dich dem Täufling zu verpflichten.
Wie wird’s denn mit Wien? ich kann mir kaum vorstellen, daß [Du] dahin gehörst und Neigung haben solltest hinzugehen – überhaupt nicht und besonders mit Kuno nicht; Aus Wien kommen die Professoren fast nie wieder raus, nach Jena wird aber noch mancher Ruf zu Dir gelangen; benütze || die Gelegenheit um Dir Dein dortiges Gehalt aufbessern zu lassen, und warte dort in Muße bis Berlin München Leipzig Heidelberg Dich ruft.
Unsere Schwiegermutter magst Du schönstes grüßen und sagen, daß ihr Mariechen an der Weihnachtsbescherung keinen Schaden genommen, daß sie vielmehr auf heute Mittag unten essen werde.
Mit tausend Grüßen für Dich und alle Lieben dort
Dein
Ernst Reimer
und Frau