Gratz 26. Februar 1872
Liebster Freund
So wäre ich also mit Deiner, Roggenbachs und des lieben Gottes Hülfe nach Straßburg berufen. Nimm nochmals meinen herzlichsten Dank hin! Wie hoch mir gerade Deine Anerkennung steht, brauche ich nicht des Breiteren auszuführen. Ich war doch sehr schwankend, da eben hier meine zoologischen Verhältnisse sich brillant gestalteten. Denke Dir, dass man das neue, für Rollet gebaute Institut mir übergeben wollte, mit der schönst denkbarsten Dienstwohnung. Rollet sollte noch ein neues Gebäude bekommen. Nun, da ich weggehe, wird mein Nachfolger das übrige physiologische Institut mit Dienstwohnung beziehen und auch im neuen Universitäts-Hauptge-||bäude erhält er prachtvolle Räume mit Dienstwohnung. Ich reiste gestern vor 8 Tagen nach Straßburg und fand dort alles in den primitivsten Anfängen. Aber der Wille und Nervus rerum ist vorhanden und Roggenbach ist persönlich so liebenswürdig, dass ich mit 2600 Thaler und der Aussicht, in 2 Jahren Dienstwohnung neben dem Institut zu erhalten, hängen blieb. Stremayr war ganz entsetzt, als ich ihm das fait accompli meldete.
Was machen denn nun die Kalkschwämme? Ich brenne vor Ungeduld. Ich gehe ina einigen Wochen nach Triest und hoffe an frischen Exemplaren meine schönen Beobachtungen über die Bildung der Kieselkörper fortsetzen zu können. Das sind höchst sonderbare Geschichten.
Für die Uebersendung des Catalogs danke ich und mein Sohn sehr. Er hat sich sehr hübsche Collegien zusammenstellen können und ich hoffe, dass er na-||mentlich an Delbrück einen anregenden Lehrer haben wird. Ganz besonders freut er sich auf Deine Phylogenie der Thiere und des Menschen und das wird ihm vollends die Direction für die Sprachwissenschaft geben.
Ganz im guten Sinne arbeitet jetzt ein Wiener Linguist, Reinisch, von dem eben ein Werk über Afrikanische Sprachen gedruckt wird. Er getraut sich, den gemeinschaftlichen Ursprung der Neger-semitischen und indogermanischen Sprachfamilien zu beweisen.
Ich habe die paar Wochen noch furchtbar zu thun.
Dein
Oscar Schmidt
a eingef.: in