Adolph von La Valette St. George an Ernst Haeckel, Bonn, 30. Mai 1865
Bonn den 30ten Mai 1865.
Theurer lieber Freund!
Eine erneute Auflage meines Conterfei’s setzt mich in den Stand, Deine gütige Zusendung zu erwiedern [!], zugleich danke ich recht herzlich für die freundlichen Zeilen, welche dieselbe begleiteten. Wenn Du wüstest, wie oft ich Deiner gedacht, wie oft ich mit meiner Frau über Dich, als einem der Liebesten und der Besten aus dem großen Bereiche der Studiengenossen gesprochen habe, würdest Du begreifen wie sehr uns Dein Bild erfreut hat. Freilich hat der Ernst des Lebens auch über diese Züge seinen Schatten geworfen, doch rechten wir nicht mit dem unerbittlichen Geschick und greifen muthig ein ins neue frische Leben – dann wird die Wunde || heilen, wenn sie auch tief ins Mark des Lebens drang –
Aus der Zeitung habe ich erfahren, daß der „Professor der Philosophie“, Haeckel eine ordentliche Professur erhalten hat. Unter den Umständen, welche Du mir mittheiltest ist diese Nachricht wohl nicht zu bezweifeln und wünsche ich Dir aus vollem Herzen Glück dazu.
Auch mein Ideal wäre eine zoologische Professur, wie herrlich lassen sich dabei die anatomischen Lehrjahre verwerthen. Habe ich mich auch ganz hineingelebt in meine jetzige Berufsthätigkeit und kann ich auch durchaus nicht über meine hiesige Stellung klagen, so muß ich doch bedauern, daß die schönste Zeit des Tages von Berufsgeschäften ausgefüllt wird, die körperlich und geistig anstrengend, jedoch wenig gewinnbringend sind.
In diesem Sommer lese ich ein Repetitorium der Anatomie, Knochen und Bänderlehre, Entwickelungsgeschichte und leite mit Schultze || den mikroskopischen Cursus. An Studenten fehlt es auch nicht ich zähle dieses Semester circa 86 in den Privatvorlesungen und erfreue mich ebenso vieler Friedrich d’or, welche mir sehr zu Gute kommen, da ich als Prof. extraordinarius noch kein Gehalt beziehe, vielmehr einen jährlichen Abzug von Thaler 40 für die Wittwenkasse von meinem Prosectoren-Gehalte (400 Thaler) erleide. Von den Secirübungen habe ich gar nichts, weil sich unser Vetrinär, M. D. Weber mit Schultze in das Honorar theilt. Dabei brauche ich jährlich mindestens 500 Thaler für meine Bibliothek. –
Zum Glücke werfen die Gefilde des Aggerthales noch soviel ab, daß ich nicht gerade nöthig habe mich krumm zu legen.
Entschuldige außer obigem Tintenkleksa, daß ich soviel von mir selbst geschrieben habe – weiß ich doch, daß Dich Alles interessirt, was mich angeht und so darf ich noch ein paar Zeilen derselben Art hinzufügen.
Was zunächst meine Arbeiten betrifft, so || bin ich mit der Vollendung einer größeren Abhandlung über die Entwickelung der Isopoden beschäftigt; 10 Tafeln und ein Theil des Manuscriptes sind schon fertig – dann habe ich eine Untersuchung unter den Händen, die Entwickelung der Samenkörper in verschiedenen Thierklassen betreffend, und bereits neue und interessante Thatsachen gefunden, welche ich wahrscheinlich in Schultze’s Archiv publiziren werde. Jetzt muß ich schließen mein lieber Ernst und füge noch die herzlichsten Grüße meiner Frau bei. Sie hofft sehr Du würdest uns einmal mit Deinem Besuche erfreuen und verspricht die Zusendung ihrer Photographie, da augenblicklich kein Exemplar mehr vorräthig ist bei nächster Gelegenheit. Wenn Du einmal eine Viertelstunde übrig hast, so wirst Du mit ein paar Zeilen sehr erfreuen
Deinen getreuen
la Valette
a eingef.: außer obigem Tintenkleks