Erna Friederici an Ernst Haeckel, Südende, 15. Februar 1910
Südende,
15.2.10.
Mein hochverehrter Herr Professor Haeckel!
Von ganzem Herzen wünsche ich Ihnen ein gesundes, sorgenfreies neues Lebensjahr. Mögen Ihre Hoffnungen und Wünsche sich vollauf erfüllen und Sie in alter Rüstigkeit und unbesiegbaren Idealismus weiter kämpfen für das Wahre, Gute und || Schöne, uns allen zur Freude und zum Nutzen, ein Vorbild, das dem Schwachen und Verzagenden Kraft gibt!
Ihr famose Karte mit dem „Gorilla-Vetter“ ist wirklich sehr gelungen und hat mir herzliche Freude gemacht. Vielen Dank. – – Den Gruß an Frau v. Crompton richtete ich aus, es geht ihr gar nicht recht gut, sie sieht sehr angegriffen aus || ihre Tätigkeit ist weder für ihre Gesundheit noch für ihre geistigen Fähigkeiten geeignet. – Wir sehen uns leider recht selten, da unser Beider Zeit völlig in Anspruch genommen ist. Ich besuche vormittags die soziale Frauenschule und arbeite praktisch an der Centrale für Jugendfürsorge und am Berliner Jugendgericht als Recherchentin. Es ist meine Absicht, auf dem Gebiete der Jugendfürsorge beruflich tätig zu sein. Dabei bleibe ich natürlich nach wie vor || innigst interessiert an dena Kämpfen unseres Freidenkertums.
Neulich wurde Bruno Willes 50. Geb. mit einem stimmungsvollen Commerz in der Rahndorfer Bärenhöhle gefeiert, wir waren auch dabei für einige Stunden, sehr hübsch war alles arrangiert, bes. Bölsches Festrede war tief zu Ganzen gehend. –
Mit nochmaligen Wünschen, denen sich meine Eltern anschließen, und herzlichen Grüßen, mein lieber Herr Professor Haeckel, verbleibe ich in größter Verehrung Ihre dankbare
Erna Friederici
a korr. aus: dem