Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Heidelberg, 8. Januar 1874

Heidelberg 8. Jan 1874

Liebster Freund!

Meinen „unlieb verspäteten“ Brief wirst Du erhalten haben und inzwischen, wie auch ich, mit Lust und Eifer in die zweite Semesterhälfte eingetreten sein. Damit ich Deine Mittheilungen „schwieriger Correspondenzen“ wenigstens in etwas compensire, sende ich Dir beifolgend einen eben empfangenen Brief von unserem Freunde Miklucho, von dem Du wenigstens sehen kannst daß er das Zeichnen nicht verlernt hat, was seine zootomischen Studien an einem zweiten Papua-Stamme betrifft, so fürchte ich daß deren Ergebniße mit jenen am ersten Stamme a gleichwerthig sein werden. Die beigeschoßenen Zeilen an Dabis bist Du wohl so gütig gelegentlich zu bestellen und Brief u. Zeichnung gelegentlich rückzuschicken. Das Quarterly Journal ist unter meiner Adresse über Jena b hieher gelangt, und gehört Euch. || Von Fürbringer erhielt ich kürzlich einen Klagebrief, worin er sich über die Verzögerung seines Examens sehr beschwert. Es ist aber auch wahrhaft unverantwortlich! Nach dem Wortlaute der gesetzlichen Vorschriften beginnt die Prüfung im November! In Jena melden sich zwei, die sogleich einzutreten wünschen, und am 4. Januar ist noch keine Anstalt dazu gemacht. Man denke sich einen mit alledem Zeug vollgestopften Examen-Candidaten in 10 wöchentlicher Spannung! Von Seebeck, denn ihn trifft das allein, hätte ich das nicht erwartet, obgleich ich bereits viel von ihm erfuhr, und meine Meinung wie Du weißt, gewaltig herabgestimmt habe. Soll es Rache an mir sein, da er weiß daß Fürbringer nach dem Examen hieher will? Ich muß es glauben, denn die überaus kleinliche Rache die er an mir nahm indem er mich mißhandelte, läßt mich bei dem Bestehen keines anderen Grundes nichts || anderes annehmen. Wie die Berufungsverzögerung so wird übrigens auch dieser unselige Act der Universität kaum zum Vortheil gereichen. Vielleicht meldet sich im nächsten Jahre gar keiner mehr zum Examen. Uebrigens verfehlt jener Pfeil sei Ziel gänzlich, da ich in keinem Falle in Verlegenheit komme. Solger bleibt bis zum Semester-Ende hier, und dann kann ich aus dem hiesigen Studentenpublicum leicht einen Assistenten finden, der mir, bis Fürbringer eintritt, aushilft. Auch hat mich Hasse neulich gebeten seinen 2t Assistenten als Voluntair auf einige Zeit anzunehmen. Bei alledem thut mir Fürbringer leid dessen Erregtheit auf seinen körperl. Zustand gewiß keine guten Folgen hat. Das mag dann der große Biedermann verantworten! Hast Du gehört daß Röse in Schnepfenthal vergangenen September gestorben? Widmen wir dem Braven ein freundliches Gedächtniß!

Bei mir im Hause geht es gut und hoffentlich auch bei Dir, und Deine drei Kinder gedeihen fröhlich ins neue Jahr herein. Lebe wohl, grüße Deine liebe Frau bestens von mir wie von meiner Frau und behalte lieb Deinen alten

C.G.

a Gestr.: gemacht; b von unten eingefügt: über Jena.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
08.01.1874
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9973
ID
9973