Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Würzburg, 15. Oktober 1868

Würzburg 15. Oct. 68

Liebster Ernst!

Zwei Briefe haben mir vom Befinden Deiner Familie erfreuliche Kunde gebracht, und ich darf hoffen daß der Weiterverlauf in gleich guter Weise vor sich ging, und Dich für alle Sorge und Angst reichlich entschädigt. Ich befinde mich im Vergleiche zu Dir im völligen Gegensatze indem alle während der Ferien geträumten Pläne und Entwürfe zu zerrinnen scheinen, und nichts mir bleiben wird, als der Abschied von meinem theuren Kinde und ein Mühsames Wintersemester voll Sorge und trüber Stimmungen. Wie es mir gegangen mag dieser Brief mir selbst zu erzählen überlassen, genügt es doch zu wissen daß ich fast die ganze Ferienzeit hindurch mit einer mühseelig und nach manchen Widerwärtigkeiten errungenen Hoffnung || trug die mir jüngst fast gänzlich entschwunden. Alle Anstrengungen scheinen vergeblich gewesen zu sein, und der Kampf mit dem Schicksal muß von neuem beginnen. Möge der Muth mich nicht verlassen, und mich zum Ende dessen führen was er mich minder glücklich beginnen ließ. Einstweilen wird die Semesterarbeit, nach der ich mich sehne, mit anderen Anforderungen an mich herantreten, und ich muß versuchen ihnen zu genügen. Die Ferien sind für mich beendigt, heute noch begebe ich mich auf die Heimreise, und werde, auf Umwegen, am 20tn in Jena eintreffen. Ich bitte Dich zu diesem Behufe mir einen Wagen (bis a Posthalter) zum nachmittags b 4 Uhr von Eisenach ankommenden Zuge zu bestellen, und freue mich jetzt schon auf baldiges Wiedersehen, auf den Austausch des || Erlebten, wenn auch von meiner Seite sich wenig Lichtpuncte zeigen werden.

Meine Schwiegermutter, die mir auch jetzt in meiner Sorge treu zur Seite steht, und nächst Dir mein vollstes Vertrauen genießt und auch verdient, läßt Dich bestens grüßen, und nimmt, wie Du Dir denken kannst, auch an allem was Dich betrifft, den wärmsten Antheil. Grüße mir Deine liebe Frau bestens und sei selbst gegrüßt bis auf baldiges Wiedersehen!

Unveränderlich Dein

C G.

Bitte, laß auch Christel meine Ankunft melden.

a Von oben eingefügt: bis; b großer Anfangsbuchstabe in kleinen korrigiert.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.10.1868
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9955
ID
9955