Jena, 23. August | 1864.
Liebster Freund!
Nachdem ich gestern wieder hier angelangt sei es heute mein Erstes Dir für zwei liebe Briefe Dank zu sagen. Wenn ich auch deiner innigen Theilnahme eben so sicher war, als ich die Ueberzeugung hege daß Du meine Zustände am richtigsten beurtheilen kannst, so haben doch Deine Briefe mir ganz besonders wohlgethan, indem sie mir heimische Klänge in die Fremde brachten.
Die Reise hat verhältnismäßig gut auf mich gewirkt, der Schmerz ist zwar noch der alte, und wird noch lange sich nicht mindern, das fühle ich, aber ich kann ihn doch mehr nach außen hin beherrschen, und habe gelernt die Empfindungen des Leides mit den Erwägungen der Vernunft in größeren Einklang zu bringen. Nach Holland bin ich erst spät gekommen. Einem mehrtägigen Aufenthalt in Gießen ließ ich eine Wanderung durchs herrliche Lahnthal folgen, deßen einsame Waldgründe meiner Stimmung beßer zusagten als das Treiben großer Städte. Aber dennoch trieb es mich nach Amsterdam da ich dort Nachricht von || Jena zu finden hoffte. Da ich nicht mehr erwarten durfte Max Schultze in Bonn zu finden, reiste ich direct von Coblenz aus. In Holland fand ich überall freundliche Aufnahme, und knüpfte in den Museen und anderen Anstalten wieder mit der Wißenschaft an. Endlich hat mich die Sehnsucht nach meinem Kind wieder hieher getrieben, und ich war bei allem Wiederempfinden des ganzen unsäglichen Schmerzes nicht ohne Freude beim Anblick des Theuersten das mir geblieben ist.
Ich gedenke nun einige Tage, vielleicht eine Woche hier zuzubringen, und dann – ich weiß es noch nicht! Schwerlich aber werde ich in die Schweiz gehen, so sehr ich auch mich freuen würde mit Dir zusammenzutreffen. Das Bedürfnis nach Ruhe und auch nach Arbeit ist mir auf der Reise sehr lebendig geworden. Es wird daher am besten für mich sein wenn ich zu meiner Schwester gehe, dort zu versuchen ob es mir wirklich gelingt, mich allmählig in Thätigkeit || zu begeben. Ich glaube das, und will mich nicht zu anderem zwingen. –
Wenn Du deinen lieben Aeltern schreibst so grüße Sie vielmals von mir, und melde Ihnen nochmals meinen herzlichsten Dank für so Vieles! Du selbst aber sei tausendmal begrüßt von Deinem
brüderlichen Freunde
C. Gbr.
Wolltest Du mich wieder mit einem Briefe erfreuen so adreßire ihn einfach hieher.