Gegenbaur, Carl

Carl Gegenbaur an Ernst Haeckel, Würzburg, 21. April 1864

Würzburg, 21. April 1864.

Lieber Häckel!

Einen Tag vor meiner Abreise von Jena kam nach längerem vergeblichen Harren uns endlich Nachricht von Dir zu, die uns an sich ebenso erfreute, wie sie uns, mit Hinblick auf den concreteren Inhalt, mit neuem Schmerz erfüllt hat. Seitdem sind Wochen verfloßen, und mit Ihnen [!] hat sich mein Vorsatz Dir recht bald zu schreiben in dem unstäten Wanderleben der Ferienzeit oftmals an der Ausführung gehindert gesehen, und kann erst jetzt, am nahen Ende der freien Zeit, durchgeführt werden. Ungehemmt aber war der Gedanke an Dich, an Deinen Zustand, und lebhaft war der Wunsch daß der Mann in Dir sich immer mehr emporringen und im großen Kampfe des Lebens, den wir alle bestehen, muthvoll sich aufrichten möge. Hoffentlich ist es Dir inzwischen mehr gelungen die Aufgaben des Lebens von allen ihren Seiten zu erfaßen, und jene Beziehungen wieder zu finden, welche uns mit dem großen Organismus der Natur verknüpft halten. Bei meiner neulichen Anwesenheit in Bonn ist Deiner bei || Max Schultze und Lavalette freundlichst gedacht worden. Des letzteren Brief wird Dir wohl zugekommen sein, wenn nicht, so mögen wir übertragene Grüße denselben einstweilen zu ersetzen versuchen. Auch der liebenswürdige Krohn, diese brave treue Naturforscherseele, gedenkt Deiner in warmer Theilnahme. Den letzteren nach 11 jähriger Trennung wiedergesehen zu haben war mir eine außerordentliche Freude, ich kann vielleicht sagen die größte die mir in diesen Ferien zu theil ward, nachdem das Wiedersehen meiner Aeltern durch den überaus leidenden Zustand meiner Mutter mir mehr bange Sorge bereitete, und mich mit dem Gedanken von hier scheiden läßt, ein theures Wesen nicht mehr zu sehen. Daß unter solchen Verhältnißen von eigentlichem Feriengenuß wenig Rede sein konnte, wirst Du begreifen, und so schwer mir der Abschied wird so gehe ich doch gerne nicht nach Jena zurück um in der Erfüllung der danna bestimmter an mich herantretenden Amtspflichten engerer und weiterer Art, Beruhigung zu finden. Deine Vorlesung habe ich nach Kräften zu Ende geführt, von den Säugethieren freilich nur eine sehr gedrängte Scizze geliefert, konnte ich doch auf Deine Vorlesung fürs || Sommersemester verweisen. Andere mir gewordene Aufträge sind pünctlichst besorgt worden.

Uebermorgen werde ich mit meiner Frau, die Dir freundlichste Grüße sagen läßt, von hier abreisen und gedenke etwa am 26. oder 27. des Monats meine Vorlesung zu beginnen, und hoffe in der darauffolgenden Woche Dich, lieber Freund, wiederzusehen. Bis dahin gedenke meiner zuweilen, und sei überzeugt daß ich in allen Wandlungen des Lebens in aufrichtiger Freundschaft Dir zugethan bin, und mich mit Freuden nenne

Deinen

Gegenbaur.

a eingef.: dann

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.04.1864
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9928
ID
9928