Wilhelm Bölsche an Ernst Haeckel, Friedrichshagen, [Januar 1913]
Friedrichshagen
b. Berlin,
Seestr.63.
Lieber Freund!
Vielen vielen herzlichsten Dank für die wundervolle Sendung, die meine „Haeckel-Bibliothek" in der schönsten Weise ergänzt hat. Mit dem größten Genuß habe ich mich erneut in die einzigartigen Tafeln der Medusenbände vertieft, die Natur bewundernd in ihrer Meisterschaft, || mit der sie diese wahrhaft aetherischen Seifenblasengeschöpfe in den Ozean gezaubert, aber nicht minder in der andern, mit der sie Dich als den Chronisten und Maler dieser Zauberwelt hervorgebracht. Ganz besonders bin ich Dir auch für den Sammelband mit den seltenen Gasträaschriften dankbar. Du hattest die Liebenswürdigkeit, mich zu || fragen, was für eine Schrift von Dir nunmehr noch in meiner Sammlung fehle. Es sind das wohl nur noch zwei, die aber wohl schwerlich, wie ich mir denke, bei Dir noch disponibel sind, nämlich Deine Doktordissertation und die erste Auflage der Natürlichen Schöpfungsgeschichte. Sehr erwünscht wäre nur, ein Exemplar der inhaltsreichen Festschrift über die Feier Deines 60. Geburtstages in Jena, die Du mir || vor Jahren einmal geliehen hast, zu besitzen, – sie ist wohl nicht in den Buchhandel gekommen. Und schließlich (da Du mir erlaubt hast, meine Wünsche zu sagen) wäre mir eine besondere Freude, noch ein Exemplar der „Arabischen Korallen" von Dir zu besitzen. Du warst vor zwanzig Jahren so lieb, mir eines zu dedizieren, das Unglück wollte aber, daß dieser schöne Band durch einen späteren gelegentlichen || Zufall zum teil verdorben wurde, – eine „Teufelei des Objekts", wie Vischer das nannte, die ich oft beklagt habe. Aber nur natürlich, wenn grade noch ein verfügbares Exemplar sich zufällig bei Dir finden sollte!
Dabei fällt mir ein, daß unter Deinen Schriften bisher noch irgend ein kleiner Sammelband (etwa nach Art des Reklamschen etwa) fehlt, der Deine Algier-Abenteuer, die Teneriffapik-Besteigung und noch einiges der Art vereinigte. Auch möchte || ich dabei erwähnen, daß Du doch die Grundlinien gelegentlich fixieren solltest, wie Du eine Gesammtausgabe Deiner Werke (mit Ausschluß wohl der großen Monographien, sonst aber vollständig) Dir denkst. Eine solche muß ja auf jeden Fall einmal erscheinen, – sie sollte aber als das "vollendete Kunstwerk Deines Lebens" doch unbedingt in Anordnung etc. || von Dir selbst ausgearbeitet und festgelegt sein. Vielleicht hast Du es längst vorbereitet, aber jedenfalls wollte ich es noch einmal aussprechen.
Nochmals mit herzlichstem Händedruck
Dein
dankbar ergebener
Wilhelm Bölsche