Geheeb, Adalbert

Adalbert Geheeb an Ernst Haeckel, Freiburg im Breisgau, 2. Oktober 1902

Freiburg im Breisgau,

Göthestraße, 39 III,

d. 2. October 1902.

Hochgeehrter, lieber Herr Professor!

Ihr außerordentlich liebenswürdiges Schreiben von „Auf dem Hügel“ wurde mir nachgeschickt auf das Kurhaus Waldheim im Schwarzwald (1120a m), wo ich den Monat August, der lieben Moosfrau zu Liebe, zugebracht habe, die eine gründliche Ausspannung aus den unerquicklichen, prosaischen Hausgeschäften dringend nöthig hatte, – um so mehr, als wir in den 5 Jahren unsres Freibur-||ger Stilllebens erst einmal (1898) uns eine kleine Schweizerreise gegönnt hatten. Ihr lieber, nur allzu schmeichelhafter Brief hat uns unendlich erfreut, vielen, vielen Dank! –

Hoffentlich haben Sie, hochverehrter Herr Professor, in der Eifel und in Tirol mehr Sonnenschein u. heiteren Himmel gefunden, als wir in der Waldeinsamkeit des Feldberggebietes genossen haben. –

Am 19. September überraschte mich aus Leipzig die 7. Lieferung Ihrer „Kunst-||formen der Natur“. Ich zitterte vor Freude, als ich den Umschlag öffnete, – doch die Moostafel ist noch nicht erschienen u. wird nun erst im 8. Hefte uns überraschen. Dafür wurden wir überreich entschädigt durch eine solche Fülle des Schönen u. Originellen aus dem Pflanzen- u. Thierreiche, daß wir immer von Neuem staunen müssen! Wer hat je einen solchen Pilz gesehen, wie den unvergleichlichen „Schleierdamenpilz“ von Java, den Sie selbst getauft haben, theuerster Herr Professor! Und || wo ist eine farbenprächtigere Gruppe der originellen Kannenpflanzen zu finden, als auf Ihrer Taf. 62! Was soll man zu solch’ wunderbaren Fledermaus- u. Froschphysiognomien sagen, – wie eigenartig sind manche Spinnenthiere, u. von der Farbenpracht b u. Formenschönheit der Algen auf Tafeln 64 & 65 gar nicht zu reden! Man steht u. staunt!! Die liebe „Kunstfrau“ (wie Max Fleischer in Buitenzorg meine gute Moosfrau zu nennen liebt) möchte jedoch || Taf. 61 „Rohrstrahlinge“ für das Schönste erklären, das die 7. Lieferung Ihrer unvergleichlichen „Kunstformen“ in sich birgt! Innigen, herzlichsten Dank, von uns Beiden!

Heute drängt es mich, in einer Angelegenheit Ihren freundlichen Rath einzuholen, die mir schon seit Jahren auf dem Herzen liegt: ist es wohl möglich, lieber Herr Professor, daß ich an der || Universität Jena noch in meinen alten Tagen (ich bin am 21. März 1842 in Geisa, Eisenacher Oberland geboren) „in absentia“ promovieren kann und zwar durch eine systematische Moosabhandlung etwa wie meine „Weitere Beiträge zur Moosflora von Neu-Guinea“. Mit 21 Tafeln, Stuttgart, Erwin Nägele, 1898?

Dann würde ich den Versuch machen, meine in Vorbereitung befindliche || „Bryologia atlantica“, zu welcher meine liebe Frau die 17 Tafeln in Aquarell seit Jahren fertig gestellt hat, vorerst zur Begutachtung Ihnenc vorzulegen, sobald der Text fertig ist. –

Es ist mir, Sie dürfen es glauben, ein unbehagliches Gefühl, immer u. immer den Dr-Titel auf Briefen des In- u. Auslandes sehen zu müssen, der mir doch nicht gebührt! Durch meine kleine Schrift „Die Laubmoose des Cantons Aargau. Mit besonderer Berücksichtigung der geognostischen Verhältnisse und der Phanerogamen-Flora. – Aargau, H. R. Sauerländer, 1864“, welche || Ludwig Reichenbach 1866 dem Präsidenten Carl Gustav Carus vorlegte, wurde mir die unverdiente, große Auszeichnung zu Theil, am 1. Januar 1869 in die Kaiserliche Leopoldina – Carolinische deutsche Akademie der Naturforscher, cognom. „Christian Funck“ als Mitglied aufgenommen zu werden. Damals tröstete ich mich mit dem Herzoge Ernst II. von Sachsen-Coburg, der auch ohne Dr-Titel auf der damaligen Mitgliederliste figurirte, – aber heute bin ich, wenigstens im Kreise Baden, der Einzige in der Leopoldina, der nicht promoviert hat. –

Mit vielen herzlichen Grüßen, hochverehrter Herr Professor u. mit freundlichsten Empfehlungen auch von meiner lieben Frau an Sie u. Frau Gemahlin stets Ihr dankbarer

A. Geheeb.d

a gestr.: 1200; eingef.: 1120; b gestr.: der; c eingef.: Ihnen; d weiter am Rand von S. 8: Herr Professor u. ... dankbarer A. Geheeb.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
02.10.1902
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 965
ID
965