Anonym

Anonym an Ernst Haeckel, o. O., o. D.

Ew. Excellenz!

Wenn ich jemand vor eine im Betrieb befindliche Dampfmaschine führe und ihm erzähle, diese Dampfmaschine sei aus sich selbst entstanden, wie sie denn auch aus sich selbst arbeite, so wird man mich enschieden [!] für verrückt erklären. Dieselbe Inkonsequenz liegt in Ihrem „Monismus“.

Sie wollen den Menschen plausibel machen, es gebe keine Antriebskraft für den Körper, der Körper leite diese Kraft aus sich selbst ab, und befinden sich dabei doch im gewaltigen Irrtum. –

Sie sind überhaupt noch nicht einmal im Stande, das Leben zu erklären, wie vielmehr können Sie denn über Gott und Unsterblichkeit urteilen? – Seele und Geist sind Ihnen zwei unbekannte Begriffe. Und Ihre Lüge, welche Sie unter der Menschheit verbreitet haben, pflanzt sich wie eine ewige Seuche fort.

Ihre Gottlosigkeit beginnt schon Früchte zu tragen, aber recht bittere, wovon das Menschengeschlecht Krämpfe bekommt. Wenn Sie das Feld Ihrer Tätigkeit überblicken, müssen Sie bald selbst zur Erkenntnis kommen, dass Sie eine Saat gestreut haben, an der die Menschen langsam, aber sicher zu Grunde gehen müssen. Es ist die Saat des Bösen. Der Fluch fällt aber stets auf den Urheber selbst zurück. Und so erkläre ich Ihnen im Namen des allmächtigen Gottes:

„Noch in diesem Jahre wird Deine Seele von Dir genommen und Du wirst dem persönlichen Gotte Rede und Antwort stehen müssen.“

Ob Sie den Leib den Flammen übergeben, es bleibt sich ganz gleich. Die Seele können Sie nicht zerstören. Sie bleibt, obgleich Ihren Augen unsichtbar, in der Gestalt des Körpers, unvernichtbar.

Ihre Tage sind gezählt; überlegen Sie, was Sie für unendliches Elend über die Menschheit durch Ihren Irrtum gebracht haben.

Kr.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Entstehungsort
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 9528
ID
9528