Anonym ("eine Frau aus dem Volke")

Anonym an Ernst Haeckel, Berlin, 28. Februar 1914

Berlin den 28.2.14

Sehr verehrter Herr!

Jedem, der eine Idee verteidigt, ist man Achtung schuldig, selbst wenn man seine Ansicht nicht teilt. Menschen die nicht an Gott glauben, gab es schon in der Bibel Psalm 14; und das wird so bleiben, bis an der Welt Ende. Und wiederum kann man den Menschen nicht losreißen von dem Bewußtsein der Allmacht Gottes; denn grade der Zweifel an ihm führt ihn immer wieder zu ihm || zurück. Das macht seine Schwäche und Eigenschaften. Und daß Sie Patriarch des Lebens doch noch Gottesfunken in sich haben, beweißt, daß Sie den Adel angenommen haben. Denn wenn Sie nicht schwach wären würden Sie erhaben über Namen sein und als Eigenschaft der Eigendünkel mitspricht, dann ist der Name Häckel genügend. Es giebt nur Herzensadel und der zeigt sich durch Werke. Abraham Moses Christus Mohamed Luther, die kannten keinen Adel und Jeder von Ihnen hat Großes geschaffen. Geehrter || alter Herr, Sie sind mir nicht böse über mein Schreiben, es ist meinerseits auch jede beleidigende Absicht ausgeschlossen; will Sie auch nicht an der Schwelle Ihres Lebens bekehren. In diesem Fall steht jeder für sich und ich bitte Gott den Allmächtigen, daß er mir den Glauben an ihn fest in mein Herz legt. Ich bin nur eine einfache Frau aber zufrieden in Gott; und wollte Ihnen nur unter all den Glückwünschen die Sie erhalten haben auch etwas anderes bringen. Wir beide sind nicht aus dieser modernen Zeit, verstehen aber alles zu würdigen und

unterzeichne mit besonderer

Hochachtung ganz ergebenst

eine Frau aus dem Volke.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
28.02.1914
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 9526
ID
9526