Anonym an Ernst Haeckel, [Berlin, 5. Januar 1911]
Wie unsagbar viel Gutes haben Sie erfahren; wie Grosses hat Ihnen Gott gegeben an Talent, an Freude! Wie hat Gott wieder für Sie gesorgt zu einem frohen Lebensabend und was geben Sie dafür? – – –
Den Tot für Ihre armen Brüder; wo ist Ihre Nächstenliebe? – Gott ist in jeden Menschen; wo ist Ihre Dankbarkeit? – Statt Gutes zu wollen, wollen Sie das Böse; wo ist Ihre Menschlichkeit? – Gotteswort, Herzensbildung und Seelenadel ist Religion. „was du nicht willst, daß man dir tu’ füge auch keinen anderen zu!“ – Sehen Sie in Ihr Inneres, fragen Sie den Teil Gottes (das Gewissen) in Ihnen – für wem könnten Sie Todesstrafe fordern? – Wer macht die Verbrecher? sie werden nicht geboren. Alle, die Sie die Todesstrafe fordern, können sich confesionslos nennen; der Verbrecher hat doch nocha die Entschuldigung, daß ihn der Schmerz des Hungers unzurechnungsfähig gemacht hat! – – – Amen ||
Ist es vielleicht weniger Verbrechen statt Gott zu danken für die Mittel und die Zeit und das Talent, benutzen Sie es, gegen Gott zu kämpfen, die Wahrheit zu verleugnen, um für sich selbst, von der unwissenden Menschheit verherrlichet zu werden. Gott ist gnädig und barmherzig und langmütig! Noch haben Sie Zeit (sie leben noch) gut zu machen, was Sie gefehlt haben. Benutzen Sie Ihr Talent zu Recht! geben Sie der Wahrheit die Ehre; machen Sie die Greuel der Wissenschaft zu Nichte, indem Sie Eitelkeit und Ruhmsucht ablegen und die Ehre Gott geben, die Gott gebührt. Beugen Sie sich zu Gott damit Sie sich nicht den Menschen beugen müssen; die Wahrheit wird siegen und in keines Menschenmacht liegt es, sie zu verdrängen. Wer die Wahrheit nicht hören und beachten will, der muß sie fühlen. Gott Dank in Ewigkeit Amen.
a eingef.: doch noch