Paul von Ritter an Ernst Haeckel, Frankfurt am Main, 6. Mai 1891
Frankfurt/Main
Hôtel Angleterre
6 Mai 1891
Hochgeehrter Herr Professor,
Mit Vergnügen ergreife ich die Gelegenheit, um an Sie zu schreiben und, da ich am geistigen Verkehr mit Ihnen Freude habe, so gereicht es mir heute zur doppelten Freude, um Ihnen die Mittheilung zu machen, daß Sie H R. Semon, wie er schreibt, zu einer wissenschaftlichen Expedition nach Australien und Polynesien auserkoren haben. – Da ich aus || dem ausgezeichneten Programm voraussetze, daß die a unter Ihren Auspicien und Ihrer unmittelbaren Aufsicht zur Ausführung kommenden Factoren dieses riesigen Unternehmens sich harmonisch decken und ich mich nicht allein für die Sache, sondern auch für die ins Spiel gesetzte wissenschaftliche Ehre Jenas aufrichtigst interessire, so erlaube ich mir Ihnen zur Consolidirung und Erweiterung dieses Unternehmens unter der geistigen Verantwortlichkeit des H. Dr. Richard || Semon einen *Check auf die Weimarer Bank, im Betrage von 4000 RMDW (Viertausend RMDW) mit der Bitte zu übersenden, die bezeichnete Summe von 4000 RM ganz nach Ihrem unmaßgeblichen Gutdünken für dieses Unternehmen verwenden zu wollen. –
Über die Wichtigkeit des Unternehmens will ich keine Worte verlieren. Dasselbe soll ebenso durchschlagend in der Welt der wissenschaftlichen Unwissenheit wirken || wie Ihre berühmten Plankton-Studien. Ferdinand Gregorovius ist am 1n Mai 1891 in München gestorben u. da ich in der Frankfurter Zeitung gelesen hatte, daß sein Leichnam in Gotha verbrannt werden sollte, so depechirte ich nach Gotha, um einen diesen Dichter-Geschichtsschreiber ehrenden Blumenkranz auf seinen Sarg legen zu lassen. – Die 45 Millionen Deutsche, welche in Deutschland leben haben eine große Perle an ihm verloren. Da man aber den Mann u. dessen geistiges Leben nicht verstanden hat, – so ist die wort- u. schriftlustige bdeutsche Presse lautlos und beschämt und alles schweigt dazu. – Sonnabend 9n Mai 1891 kehre ich nach Basel zurück. – Herzliche Grüße an Ihre liebe Familie und an alle die lieben Freunde in Jena, – Hochachtungsvoll,
Paul Ritter ||
Anbei ein Check v. 4000 RM auf die Weimaer Bank.c
*Die Deutsche Effecten & Wechsel B. in Frankfurt /Main hat mir den Rath gegeben statt des Check die Summe von 4000 RMD’ in effectiven Markscheinen von 1000’ jeder zu übersenden folglich anbei 4000 RMDW in Billeten.d
a gestr. das b eingef.: deutsche c Nachsatz vertikal auf S. 4. d Anm. kopfüber auf S. 3 nachgetragen