Paul von Ritter an Ernst Haeckel, Basel, 30. Oktober 1888

Basel

8 Schärtlingasse 8

30t Oktober 88

Hochgeehrter Herr Professor,

Bevor ich an die Beantwortung Ihrer geehrten Zuschrift v. 27t Oktober 88, welche mir heute in Basel behändigt wurde, schreite, – bestätige ich den Empfang Ihrer Geehrten vom 13t und 13t Okt 88 so wie die für mich sehr schmeichelhafte Depesche, zufolge welcher ich, gegen meinen Wunsch, zu einem ewigen Leben aauf Erden von Ihnen verdammt wurde. – Könnte ich Ihnen in dem Augenblicke, wo ich diese Zeilen niederschreibe, mein Herz eröffnen, – so würden Sie sehen, daß dasselbe von allen egoistischen Bestrebungen frei ist. –

Die Entwickelungslehre ist aber nichtsdestoweniger || mit demselben so eng verwachsen, daß ich alle Augenblicke meines Lebens an dieselbe denken muß und meine höchste Befriedigung darin finde sobald ich irgend eine neue Entdeckung auf diesem Gebiete in englischen, französischen oder belgischen Werken erwische. – In Deutschland sind Sie der einzige wahre und gelehrte Representant, weil die vielen Anderen nur im Dunkeln tappen, dazu sind Sie ein zweiter Leonardo da Vinci, Richter und Poet und treten daher der Natur viel näher wie bAndere. –

Es that mir leid, daß ich Sie am 17t Oktober 88 in Weimar nicht begrüßen konnte – Staatsminister || Stichling hat uns glänzend aufgenommen und die Autoritäten würdevoll vertreten. –

Um der ganzen Stiftung die Krone aufs Haupt zu setzen muß Etwas gethan werden, womit der Name des fürstlichen Protectors, des Grossherzogs von Weimar, verewigt werde. –

Die Tiefsee und ihr Leben bieten so viel Neues und Interessantes, daß man in dieser Beziehung kaum ein anderes Gebiet betreten möchte, weil von den sieben Hauptgruppen der neuen zoologischen Eintheilung nur zwei Gruppen das Festland bewohnen. – Zudem sind die Cloakenthiere in Australien Überbleibsel einer || untergegangenen Schöpfung. – Doch was soll ich so viel schreiben, da Sie es ja besser und gründlicher kennen wie ich. –

Die Lang’sche Broschüre habe ich erhalten u. mich sofort bei Dr. Lang bedankt. –

Ich werde sie schon lesen und mir cangenehme Augenblicke verschaffen. –

Drängen Sie auf den Kurator, daß er mir die in Jena befindliche General und Specialvollmacht v. 18t Mai 86, im Original, wie Excellenz es gestattet hatte, zuschickt. – Ich brauche die Vollmacht u. habe heute an Eggeling geschrieben. –

An Familienunglück nehme ich warmen Antheil, aber die Alte ist doch schon bei Jahren u. das Gesetz macht keine || Ausnahme. – Meine herzlichsten Grüsse an Ihre liebe Familie und von uns an Sie ein freundlicher Händedruck,

Ihr ergebener

Paul Ritter

Kommen Sie wohin und wann Sie wollen ich werde mich freuen Sie wiederzusehen.

a eingef.: auf Erden b gestr.: ein c gestr.: meine

Brief Metadaten

ID
9282
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Schweiz
Entstehungsland zeitgenössisch
Schweiz
Datierung
30.10.1888
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
4
Umfang Blätter
2
Format
14,2 x 22,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 9282
Zitiervorlage
Ritter, Paul von an Haeckel, Ernst; Basel; 30.10.1888; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_9282