Rudolf Aderhold an Ernst Haeckel, Iserlohn in Westfalen, 18. Mai 1890
Iserlohn i/W., d. 18. Mai 1890.
Hochgeehrter Herr Professor!
Verzeihen Sie, wenn ich es wage, Sie in der Angelegenheit eines hiesigen Realgymnasiallehrers, meines Collegen Arndt anzugehn.
Sie finden anbei eine Reihe zoologischer Abbildungen, welche genannter Herr mit grossem Fleiss und, wie ich meine, vielem Geschick gezeichnet hat, a in der Absicht, diese Sammlung zu veröffentlichen, damit sie beim zoologischen Unterricht dem Lehrer einen Anhalt für die Beschreibung der Tiere bieten könne. Leider haben die Verhandlungen, welche Herr Arndt zu dem Zwecke der Vervielfältigung mit verschiedenen Verlagsbuchhandlungen geführt hat, nicht zu dem gewünschten Resultate geführt, weil der Herstellungspreis der Tafeln angeblich ein so hoher sein soll, dass ohne staatlichen Zuschuss sich kein Verleger finden will. Die Höhe dieses verlangten Zuschusses schwankt zwischen 3000 und 7000 Mark. ||
Herr Arndt hat daraufhin sich an Seine Excellenz den Herrn Cultusminister gewandt und die staatliche Unterstützung erbeten, hat jedoch als Antwort zwar ein sehr anerkennendes Gutachten und ein sehr empfehlendes Schreiben erhalten – aber kein Geld, weil der Herr Minister auch die niedrigste der genannten Forderungen im Verhältnis zu den verfügbaren Geldmitteln zu hoch fand.
Da ich glaube, dass die genannten Tafeln als Hülfsmittel für den zoologischen Unterricht nicht sowohl an der Universität als namentlich in der Schule von ganz hervorragender Bedeutung wären wegen der Sorgfalt, mit welcher alle auch nur mit der Lupe wahrnehmbare Eigenschaften der Objekte gezeichnet sind, so habe ich es als Ihr Schüler gewagt, Sie, hochgeehrter Herr Professor, mit der Frage anzugehen, ob es Ihnen wohl möglich sei, für deren Vervielfältigung irgendwo zu wirken. Es kommt Herrn Arndt nicht darauf an, dass die Tafeln gerade in Deutschland verlegt würden, und ich meinte gerade, dass vielleicht der englische Staat, mit dessen zoologischen Autoritäten Sie, geehrter Herr Professor, in so naher Berührung stehen, bei seinem anerkannten Reich-||tum, die nötigen Hülfsmittel wohl gewähren würde, sofern es gelinge, maassgebende Stellen von der Brauchbarkeit und dem Werte der Tafeln für den Unterricht zu überzeugen.
Ich weiss aus eigner Erfahrung, wie hoch gerade Sie, geehrter Herr Professor, den Wert guter Tafeln für den Unterricht schätzen. Aber ich bin überzeugt, dass der Lehrer an der Schule das Bedürfnis nach solchen noch weit mehr empfindet als der Universitätslehrer. Denn abgesehen davon, dass es nicht immer möglich ist, jedem Schüler ein Exemplar des zu beschreibenden Tieres in die Hand zu geben, würde auch wenn und wo dies geschehen kann, der Unterricht ohne Tafeln wegen des wenig geschärften Beobachtungsvermögens der Schüler entweder kein gründlicher oder für den Lehrer sehr zeitraubend und mühseliger sein, da letzterer schliesslich jeden einzelnen Schüler kontrollieren müsste. Ausserdem sind Tafeln für die in der Schule ja stets nötige Repetition ein wirklich unersetzliches Material.
Sollten Sie, hochgeehrter Herr Prof., die Tafeln für so gut und naturwahr gezeichnet erachten, wie sie es mir zu sein scheinen, so bin ich fest überzeugt || dass Sie den Lehrern der Jugend einen grossen Dienst leisten würden, wenn sie deren Herausgabe befürworten und vermitteln könnten.
Ich ersuche Sie höflichst, die Tafeln an die direkte Adresse meines Collegen Arndt zurückgehen zu lassen, sofern Sie Einsicht in dieselben genommen und sie für eventuell weitere Empfehlung nicht mehr nötig haben. Die Adresse finden Sie inliegend.
Empfangen Sie im Voraus zugleich im Namen meines Collegen meinen verbindlichsten Dank für die Ihnen verursachte Mühe.
In vorzüglicher Hochachtung
mit herzlichem Gruss
Ihr
Ergebenster
Dr. Rud. Aderhold
Iserlohn i/W., Ohl 32.
a gestr.: sie