Max Adler an Ernst Haeckel, Hamburg, 18. September 1911
Hotel Atlantic
Restaurant Pfordte
Hamburg den 18. September 1911.
a. D. Alster 72–79.
Sr. Excellenz
Herrn Geheimrat Prof. Enst [!] Häckel.
Jena.
Hochverehrter Herr Geheimrat!
Sie haben in den jüngsten Tagen erlebt, dass Ihr Samenkörnchen (Monistenbund) wohl aufgegangen ist und guten Erfolg gezeitigt hat. Sie sind überzeugt, dass Ihre Ideen, die von Ihnen verkündete Wahrheit für alle Zukunft gesichert ist und haben den herzlichsten Dank Ihrer Sie verehrenden grossen Gemeinde entgegen genommen. Gestatten sie einem Ihrer eifrigsten Verehrer im Interesse unserer grossartigen Bewegung, Sie auf einen kleinen Mangel aufmerksam zu machen, um zu verhüten, dass Ihre Schöpfung (der Monistenbund) nicht von einer schweren Kinderkrankheit befallen wird. Dema D.M.B. stehen, wie es ganz natürlich ist, eine grosse Anzahl gelehrter Männer zur Verfügung, welche durch Wort und Schrift Ihre hohen Lehren ins Volk tragen. Dies war von Anfang an und wird sich steigern, so dass es niemals auf diesem Gebiet fehlen kann. Diese geschätzten, gelehrten Männer vermögen wohl die Geister zu wecken, sind aber nicht in der Lage einen Bund, eine Kampforganisation zu organisieren und in der Praxis hat sich herausgestellt, dass die geschäftliche finanzielle Leitung des Bundes manche Mängel zeitigt. Dem Hauptübelstand ist aber bereits abgeholfen, dadurch, dass zu den geschäftlichen Organisations und Cassaarbeiten Männer wie der neue Schatzmeister Direktor H. Meindl, München, Herr Carl Riess, Hamburg und ich herange-||zogen wurden. Dies war nötig, da die Lage des Bundes sofortige, grosszügige Propaganda erfordert, um die günstige Situation auszunützen und uns in den Stand setzt, den Kampf mit den Gegnern erfolgreich aufzunehmen.
Die grossen Kosten des Kongress die würdigen grossartigen Veranstaltungen der Tagung haben in hochherziger Weise einige wenige Herren der Ortsgruppe Hamburg aufgebracht und teile dies mit, damit nicht die Meinung aufkommt, man habe für Festlichkeiten den Kriegsschatz des Bundes ausgegeben, Leider konnte der Bund sich an den erheblichen Kongresskosten nicht beteiligen und kann man den hochherzigen Spendern von Hamburg nicht genug danken. Nach einer Ansprache an dem Festmahl des Herrn Geheimrat Prof. Ostwald sind von vielen Seiten ausserordentliche Beträge, ca. Mk. 17.000,- für den Bund eingegangen, doch wurde von der Hauptversammlung beschlossen, dass dieser Betrag einen Not und Reservefond bilden soll, so dass der Geschäftsleitung nur die Zinsen zur Verfügung bleiben.
Trotzdem durch die neue Geschäftsorganisation hoffentlich für die Zukunft die Finanzverhältnisse geordnet und gesichert sind, dürfte unsere Kasse in den nächsten 6 Monaten knapp bei Mitteln sein und dadurch wären wir gezwungen, manchen nötigen Schritt zu unterlassen. Da ich bestimmt annehme, dass Sie, hochverehrter Herr Geheimrat von diesen Verhältnissen keine Kenntnis haben und da ich annehme, dass Sie auch diese Seite des D.M.B. interessiert, wagte ich Ihnen Vorstehendes mitzuteilen und zwar aus eigenster Initiative und bemerke ausdrücklich, dass kein Mitglied und keiner der Herren vom Vorstand und vom Ausschuss von dieser meiner Bittschrift etwas weiss. Ich hoffe, sehr verehrter Herr Geheimrat, dass Sie mir diesen Schritt nicht über nehmen, Sie wissen, dass es in ||
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absolut uneigennütziger Absicht geschieht und nur das Wohl des Bundes, das mir sehr am Herzen liegt, gibt mir die Kühnheit, Ihnen Vorstehendes zu unterbreiten. Ich hoffe aber, dass ich in nicht zu ferner Zeit in der Lage bin, von einem wohl gerüsteten Kriegsschatz berichten zu können und zu dürfen.
Im Falle Sie verehrter Herr Geheimrat die Güte hätten, die Bundeskasse ein bischen zu unterstützen, bitte ich zu bemerken, „nicht zum Notfond, für laufende Ausgaben“. Noch eine grosse Bitte verehrter Führer, nehmen Sie meine Kühnheit, mich an Sie gewandt zu haben, nicht übel, Monismus ist Wahrheit und diese muss man auch aussprechen.
Ich hoffe mit allen meinen Freunden, dass Sie verehrter Meister der Forschung recht bald vollständig hergestellt sein werden und gestatte mir Ihnen nebst aufrichtigsten guten Wünschen, meine besten Grüsse zu unterbreiten
Ihr Sie hochverehrender
ergebener
Max Adler
München Schubertstr. 6/II
a gestr.: Vom; eingef.: Dem