VILLA KOSMOS, OBERWESEL A./RH., DEN 28 7 1880
Allerverehrtester Herr!
Soeben erfahre ich von Dr. Krause, daß Sie vom 15… sich in Brunnen am Vierwaldstätter See aufzuhalten gedächten, was – zu meinem großen Schreck – durchaus nicht zu Ihrem früheren Programm (zu den Iden des August am Rhein zu sein) stimmen will.
Ich gebe nun ganz ergebenst zu bedenken, daß in der zweiten Hälfte des August merschendeels weit mehr Wasser an der Villa Kosmos vorbeizufließen pflegt, als bei Brunnen – für den Fall, daß jenes Element Sie etwa dorthin locken könnte. Bezüglich der wissenschaftlichen Ausbeute (trinkbar sind beide Sorten nicht) scheint mir aber ein Tropfen jenes Seees kaum reicher an Kalkschwämmen, Medusen u. Radiolarien zu sein, wie im gleich großen Quantum unsres vaterländischen Stromes par excellence. In sanitätlicher Hinsicht kann Brunnen gegen Oberwesel schon gar nicht aufkommen. In Folge der noch etwas anthropoiden Civilisation hierzulande fehlt jegliche Gelegenheit u. Möglichkeit zur Überschreitung einer ideal-einfachen Diät: in Verbindung mit der || tags u. nachts ungehindert einströmenden frischen Luft die wunderbarste Propylaxe gegen alle möglichen Anfechtungen des animalen Kadavers.
Dagegen bietet sich eine so reichhaltige Abwechslung der Belichtung, des wahren principii vitae, als sie nur zwischen der höchsten Spitze der Schönburg u. dem schauderösen Grunde meines Turm-Verließes, denkbar ist. Dann u. wann wird hier auch „Kunscht“ verübt: sie ist aber auch darnach; doch habe ich auch in dieser Rüstung Brunnen nicht im Verdachte einer erdrückenden Superiorität.
Ausgeleert hab’ ich der Worte Köcher
Und erschöpft der Bitten Kraft.
In der Überzeugung, daß Sie Ihre Villa Kosmos dennoch nicht verwaist werden stehen lassen, verbleibe ich
in der denkbar hochachtendsten Verehrung
Ihr
ergebenster
Majordomus
Oberwesel a/Rh