Eduard Aigner an Ernst Haeckel, München, 8./9. Mai 1912

Dr. eduard aigner

prakt. arzt

münchen, bavariaring 15

telephon 9473.

München den 8. Mai 1912

Herrn Professor Ernst Haeckel, Jena.

Hochverehrter Herr Professor!

Wir haben gerade wieder einen so unerwarteten und erfreulichen Erfolg zu verzeichnen, dass wir gerne möchten Sie, hochverehrter Herr Professor, sollen mit uns des errungenen Sieges sich freuen.

Seit Monaten kämpfen wir mit den Steuerbehörden, die uns 10% Schenkungssteuer abknüpfen wollen. Alles half nichts, wir mussten bezahlen. Ich wandte mich an die Behörden mit der Erklärung dass wir gemeinnützig seien und deshalb nur halbe Steuer zu entrichten hätten. Alles war umsonst. In langen Ausführungen wandte ich mich nun an die oberbayerische Regierung. In diesen Tagen traf allen unerwartet die Botschaft ein ‒ dass der Monistenbund als gemeinnütziger Verein anzusehen sei und ihm die zu viel verlangten Steuern zurück zu erstatten seien. In München erhielten wir sogleich 600 Mark zurück, Die Gesamtsumme der Rückerstattung beträgt 3000 Mark. Neben dem materiellen Erfolge ist besonders der ideellle [!] von a ganz enormer Bedeutung. Sie, sehr verehrter Herr Professor, haben in Rom das politisch Unreife des Freidenkertums erkannt. Freuen Sie sich mit uns, dass Ihre Gründung nunmehr in dem ultramontanen Bayern sich das Prädikat „gemeinnützig“ von der Behörde errungen hat.

Bisher hat man keinen Verein, der religiöse und ethische Ziele verfolgt, als gemeinnützig bezeichnet, wir haben den Anfang gemacht, hoffen wir dass es so bleibt.

Mit herzlichem Gruss und der Versicherung, dass es riesig vorwärts geht, Ihr getreuer

Dr. Aigner ||

München den 9. Mai 1912

II.

Hochverehrter Herr Professor!

Schon war beiliegender Brief verschlossen, da klingelt das Telefon und Horneffer teilt mir mit, dass er mit seinem Rechtsanwalt gesprochen und nun gegen Adam Rambacher wegen öffentlicher Beleidigung Klage stellen will. Auf einem öffentlichen Plakate steht nun gegenwärtig gegen Sie und Leo Erichsen und gegen mich von Rambacher derartig Beleidigendes dass wir eine gemeinsame Klage stellen wollen und ich bitte Sie durch Zeichnung der Ihnen mit gleicher Post zugehenden Vollmacht den Rechtsanwalt Rosenthal zur Klagestellung zu ermächtigen. Erichsen tut das gleiche. Es gilt vor Allem Im Interesse der Sache die Lourdeswunder vor Gericht zur Sprache zu bringen.

Der Wortlaut des Plakates liegt bei.

Helfen Sie uns bitte durch Ihre formelle Zustimmung die in gar keiner Weise Sie persönlich in Anspruch nehmen soll zu einer neuen Schlacht und einem Neuen Sieg.

Nochmals herzlichen Gruss Ihr

Dr. Aigner ||

[Beilage: Abschrift des Plakates]

Dr. Eduard aigner

prakt. arzt

münchen, bavariaring 15

telephon 9473.

Plakat Anschlag in München vom 7. ‒ 9. Mai 1912

Am Samstag den 11. Juni Abends 8 b Uhr, wiederum im grossen Saale der Centralsäle Neuturmstr.

II. öffentlicher Diskussionsabend, Thema

Die Wunder von Lourdes und die spiritistischen Phänomene

Hierzu erkläre ich:

1) dem vorurteilsfreien und vereinten Studium der ausserordentlichen Ereignisse in Lourdes, wie sie sich seit mehr als 50 Jahren unausgesetzt zutragen ergibt sich der unumstössliche Beweis für die Gottheit Christi und für die Wahrheit der überkommenen Christlichen Lehre.

2) Das eingehende Studium der spiritistischen Erscheinungen erschliesst uns die Tatsache der Existenz einer uns umgebenden intelligenten (dämonischen) Kraftwelt.

3) Die genaue Prüfung der gegnerischen Angriffe auf Lourdes ergibt bei Zola und seinem Sekundanten Haeckel böswillige Verläumdung und bewussten Betrug. Bei Professor Rouby wissenschaftlichen Blödsinn. Bei Dr. Eduard Aigner hier eine Manie leichtfertigen Urteilens über die Dinge die er nicht kennt. Die Märchen der Münchener Neuesten Nachrichten und der Augsburger Abendzeitung c über Lourdes sind Beweise für die Kritiklosigkeit derer die uns als kritiklos hinstellen wollen.

4) Die sogenannten Forscher und Volksaufklärer in spiritistischen Dingen Leo Erichsen usw. haben entweder nichts im Ernste geprüft oder siie [!] belügen das Volk des Mammons weg.

5) Das Verhalten der Münchener Neuesten Nachrichten zu den von ihnen selbst am hellen Tage festgestellten spiritistischen Tatsachen, die sie erklären können ist boshaft und kindisch, die Erkenntnis im Volke hemmend, d das Geheime und gefährliche im Spiritismus fördernd.

Auch für diesen Abend setze ich einen Preis von 1000 Mark für eine sachliche Widerlegung aus und werden die Diskussionsreden wieder stenographirt zur Unterbreitung an das Professoren Kollegium der Münchener Universität

Eintrittspreis zur Deckung der Unkosten 30 Pfennige für reservirte Sitze 50 Pf.

Adam Rambacher.

a gestr.: ga; b gestr.: 14; c gestr.: sind; d gestr.: und

Brief Metadaten

ID
8866
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
09.05.1912
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
23,0 x 29,4 cm; 21,5 x 28,0 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 8866
Beilagen
Abschrift Plakat, 1 Bl., 1 S.
Zitiervorlage
Aigner, Eduard an Haeckel, Ernst; München; 09.05.1912; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_8866