Aigner, Eduard

Eduard Aigner an Ernst Haeckel, München, 16. Juli 1907

München, den 16. Juli 1907

Hochverehrter Herr Professor!

Besten Dank für Ihre mich überaus erfreuenden und ehrenden Zeilen. Gerne verspreche ich Ihnen, auch ferners mit allen Kräften an der Ausgestaltung des Bundes zu arbeiten. Ihre Wünsche nach einigem Zuammenhalten der Führer pflichte ich völlig bei. Leider scheint mir das Einvernehmen zwischen dem Vorsitzenden und dem Generalsekretär nicht immer so ganz ohne Schleier zu sein. Die Auffassungen gehen von Zeit zu Zeit auseinander und meine Anschauungen über Organisation und die Pflichten des Einzelnen auf seinem Posten sind vielleicht nicht von Jedem geteilt. Nach meiner Meinung gilt es jedem sein Arbeitsfeld auszusuchen für das er am geeignetsten erscheint und nach Möglichkeit dann die einzelnen Gebiete zu trennen.

Ganz ausserordentlich lebhaft ist z. Zt. meine Korrespondenz, über 60 Briefe kamen im Anschluss an Unolds Artikel am Tag. Dieser Artikel hat durch das vollkommene Fehlen jeder Spur von Fanatismus und Dogmatismus zweifellos viel Anklang gefunden. Mehr als ich zunächst erwartete. Zu gleicher Zeit erschien in der Frankfurter Zeitung ein Artikel gegen uns der sich besonders gegen die Veröffentlichung Vielhabers wendete und die Bildung der Kultusgemeinden als verunglückt hinstellt. So wogt die ganze Zeit der Kampf hin und her. Wir haben uns hier auf ein Gebiet geworfen, das unstreitig den Vorteil hat, von allen freiheitlich denkenden Vereinen gemeinsam befürwortet zu werden. Am besten beweisen unsere Erfolge die Wutausbrüche der Gegner. Kaum ein Tag vergeht, wo uns die gegnerische Presse nicht aufs neue citiert. Im Herbst werden wir die Abänderung der Eidesformel und die Einführung einer Sonntagsfeier in gleicher Weise öffentlich behandeln. Aus allen Teilen Deutschlands kommen mir auch Glückwünsche zu, die uns zu dem Gelingen des Kartells gratuliren.

Das Ihnen, Hochverehrter Herr Ehrenpräsident, die verschiedensten sich manchmal widersprechenden Mitteilungen zugehen, verstehe ich recht wohl und freue mich doppelt, dass Sie trotz dieser Interpellationen solches Vertrauen in uns setzen und uns die Führung überlassen.

Dieser Tage war Carstens mit Breitenbach zusammen. Der Versuch Breitenbach nach Hamburg zu nehmen, scheint fallen gelassen. Breitenbach schreibt mir zufrieden. Schwarz, der z.Zt. im Schwarzwald ist, schreibt gleichfalls hoffnungsfreudig über die Ausgestaltung des Verlags. So verspricht alles gut zu werden. Breitenbachs Fehler ist, dass er viel zu viel Geld verschlingt. Und mindestens ebenso sehr an sich als an den Bund denkt. Durch die Kündigung sieht er endlich einmal, dass wir nicht so harmlos sind, wie er bisher Grund hatte anzunehmen. Seine Aufstellung im Mai war tatsächlich für jedes geschäftlich denkende Mitglied ein Skandal.

Mögen diese wenigen Zeilen Ihnen zeigen, dass alles in Ordnung geht und dass besonders ich, das Gefühl habe, die Zügel sicher in der Hand zu haben. Als Antwort auf Ihre stellenweise eine gewissen Besorgtheit verratenden Zeilen, rufe ich Ihnen zu: „Lieb Vaterland magst ruhig sein, Fest steht und treu die Wacht“ und verbleibe

mit dem bestem Gruss

Ihr

Dr. Aigner.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
16.07.1907
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 8849
ID
8849