Ahrendts, Konrad

Konrad Ahrendts an Ernst Haeckel, Weimar, 29. Juni 1883

Hochverehrter Professor!

Wollen Sie gütigst verzeihen, wenn ich als großer Freund der neueren Entwickelungstheorie mir die Freiheit nehme, Sie von Nachstehendem in Kenntniß zu setzen und um Ihre gefällige Ansicht höflichst zu bitten.

Die Sachlage ist folgende.

Gegen Ende der vorjährigen Augustbrunft wurde ein Schmalreh von Böcken gejagt, in einem Gehöft gefangen und von einem Freunde von mir erworben. Wie anzunehmen, zeigte sich das Thier auch später beschlagen und setzte am 6. Juni d. J. ein besonders kräftiges Kälbchen (Bock) War dies bei dem großen Umfang der Ricke vor dem Setzen schon auffallend, so war es das noch mehr, als kaum größere Abnahme des Mutterthiers sich äußerlich nach erfolgter Geburt bemerkbar machte.

Dagegen zeigten sich besonders auf der linken Bauchseite mehr oder weniger regelmäßige Bewegungen, die, da die Ricke ganz normal und gesund geblieben ist, als Nachwehen kaum aufzufassen sein konnten. Beim Befühlen war ein weicherer Körper zu konstatiren, der nach den Versicherungen || meines Freundes sich jedoch jetzt viel härter anfühlt und durch unregelmäßigere Bewegungen nach außen auf derselben linken Seite besonders sich bemerkbar macht. Auch erscheint der Leib des Thiers jetzt viel tiefer. Nachträglich bemerken möchte ich noch, daß genannte Ricke in der Gefangenschaft nie mit einem Bock zusammengekommen ist. Gleich viel auch, ist die Befruchtung zu verschiedenen Zeiten in derselben Brunft möglich, so daß ein 2tes der Zeit nach weit auseinanderliegendes Setzen einer Ricke später möglich wäre?

Die Frage hat wohl schon deshalb eine Berechtigung, als mir ein ähnlicher Fall bei Kaninchen aus meiner Jugendzeit erinnerlich ist, den, ich irre kaum, mein Vater I. Z. Brehm mitheilte. Ein Kaninchenweibchen warf 14 Tage später noch ein 2tes Mal, was rücksichtlich der normalen Tragzeit doch sehr auffallend ist.

Es würde mich u. viele sehr interessiren auf diese Frage hin Ihre Ansicht zu hören und wäre es auch nur ganz kurz, um Sie nicht noch mehr zu belästigen. ||

Mit verbindlichstem Dank im Voraus zeichnet in größter Hochachtung

Weimar / 29. Juni 83.

R. Ahrendts.

6. Götheplatz

Thiermaler

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
29.06.1883
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 8829
ID
8829