Ernst Althans an Ernst Haeckel, Berlin, 31. Dezember 1895

Berlin. NW. Calvinstr. 25. 31. Dezember 95

Lieber alter Freund!

Mein erster Gruß aus Berlin verbindet mit dem Glückwunsch zum neuen Jahre den herzlichsten Dank für 2 Sendungen Deiner Werke, die mich auf dem Umwege über Breslau u. z. die letzte erst heute erreichten. Besonders Deine prachtvollen Reisebilder aus Ceylon mit Deinem Portrait als Tropenwanderer und die beigefügten freundschaftlichen Zeilen erfreuen mein Herz und ich erkenne in der kräftigen, mannhaften Haltung des Forschers in fernen Zonen den jugendlichen, blondgelockten Jüngling wieder, der in dem damaligen engeren Freundschaftskreise es ganz besonders verstand, in anmuthendem Vortrage als Jüngster die Herzen zu gewinnen.

Schön ist es, wenn auch erst in späten Jahren alte Jugendfreunde noch gleichgesinnt sich wieder zusammenfinden. Das genieße ich jetzt so recht hier mit meinem Schwager Hauchecorne. || Er und meine Schwester, seine Frau, und eine andere verwittwete Schwester die ihrem gleichfalls verwittweten Schwiegersohn Rose den Haushalt führt und dessen Kinder erzieht, haben mich besonders hierher gezogen. Und da meine zweite Frau mit uns verwandt und von Kindsbeinen wie später allen innig befreundet ist, so bilden hier die Alten mit ihren Jungen und diese wieder mit ihren Küken eine eng zusammengeschlossene große Familie. Außerdem schien mir Berlin mit seinen Leuten und Anstalten der beste Ort für die letzten Lebensjahre noch zu mancherlei wissenschaftlicher und fachlicher Verarbeitung eines überreichen, während der Amtsthätigkeit gesammelten Stoffes zu werden, so lange noch dazu die Kräfte reichen. Dies bestimmte mich am 1. Juli 95 den Abschied zu nehmen und am 1. Oktober hierher überzusiedeln. Und ich bereue es nicht. Die Großstadt wirkt anregend auch auf alte Gemüther, die noch dem Fortschritte der Cultur hold sind: So habe ich hier bei meinem Arbeiten fast weniger Zeit als zuvor im ziemlich angestrengten Amte.

Breslau liegt abseits von den begangenen Straßen. Hierher kommen liebe Freunde und Verwandte schon öfter. So hoffe ich auch Du wirst gelegentlich einmal hierher kommen und neben den üblichen Besuchen und Wanderungen auch den Weg zur Geologischen Landesanstalt mit Freund Hauchecorne sowie auch nach meiner abseits in Moabit, aber nahe an dem Stadtbahnhof || Bellevue gelegenen Wohnung finden. Dann findet sich auch die Gelegenheit näheres über die in den langen Jahren gehabten Geschicke und den Familienstand mitzutheilen.

Für diesmal genug und nur die Versicherung noch heute fortdauernder und unwandelbarer Freundschaft

Deines alten getreuen

Freundes

E. Althans

P.S. Zum Doktor, mit dem Du mich in der Anrede begrüßtest, habe ich es übrigens nicht gebracht.

Brief Metadaten

ID
8746
Gattung
Brief ohne Umschlag
Entstehungsort
Entstehungsland aktuell
Deutschland
Entstehungsland zeitgenössisch
Deutsches Reich
Datierung
31.12.1895
Sprache
Deutsch
Umfang Seiten
3
Umfang Blätter
2
Format
14,4 x 22,3 cm
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 8746
Zitiervorlage
Althans, Ernst an Haeckel, Ernst; Berlin; 31.12.1895; https://haeckel-briefwechsel-projekt.uni-jena.de/de/document/b_8746