Allmers, Hermann

Hermann Allmers an Ernst Haeckel, Rechtenfleth, 30. Oktober 1897

Rechtenfleth

d 30 Octbr 97

Herzlieber Haeckel.


Ich nehme an, daß Du wieder zu den lieben Deinen im lieben Jena

zurück gekehrt bist und eile Dir für Deine mir so wohlthuenden kartographischen Grüße meinen Dank zu sagen. Wie gern hörte und sähe ich jetzt, was Du aus dem rußischen a Reiche mitzutheilen hast vor Allem vom Kaukasus, dessen Elbrus und Kasbeck doch sicher aquarelliert wurden. Doch vor dem Frühlinge des nächsten Jahrs wird schwerlich daran zu denken sein, so lange begnüge ich mich schon mit dem schönen freudigen Bewußtsein, nicht von Dir vergessen zu werden sei es wo Du seiest und sage stets wenn eine Zeile von Dir zu mir kommt mit Gretchen: „Begreife nicht, was er an mir find’t“, während, wenn es mich oft so mächtig zu Dir zieht, ich das Warum nur allzugut begreife. ‒ Wenn ich mich im Laufe des letzten Sommers ein paar Wochen an || Holsteins und Mecklenburgs lieblichen buchenumgrünten Seespiegeln erfreute, an des alten Lübecks ehrwürdiger Schönheit oder an Hamburgs großartigster Gartenbau Ausstellung so schäme ich mich fast, nur gegen Dich dessen zu erwähnen, aber dennoch war ich zuweilen wahrhaft glücklich, solche Empfänglichkeit und Frische bis zu meinem bald 7 und siebzigsten Jahre im Herzen bewahrt zu haben, obwohlb die Schaffenskraft leider von Jahr zu Jahr in merkbarem Abnehmen ist. Eins ist mir glücklicherweise fast ungeschwächt geblieben, ‒ die Gabe der Anregung, wodurch ichc doch noch fort und fort nach allen Seiten hin so manches Edle Schöne und Vortreffliche hervorrufe oder durch Andere hervorrufen lasse. Nehme ich endlich dazu auch noch meine nicht hoch genug zu preisende körperliche Gesundheit, so darf ich mich wohl beneidenswerth nennen. Ein lästiges Hautjucken namentlich auf dem Rüken, war diesen Sommer das Einzige, was mich einmal bewog einen || Arzt darum zu befragen. Besorgt macht mich nur allein mein Abnehmen des Gedächtnisses das mich mit dunkelsten Gedanken erfüllt.

Nun aber auch genug von meiner Wenigkeit und mal zu unserm lieben Jungen an den ich oft mit innigster Theilnahme denke. Während seines Studienaufenthalts im Bairischen Wald schrieb ich ihm vernahm danach aber Nichts von ihm. Als d aber vor einigen Wochen wieder einmal in Oldenburgs malerischer Umgebung mich wieder eine Waldherrlichkeit umfing, wie iche sie in so wundersam leuchtender Farbenschönheit, so viel ich mich er innere, noch nie geschaut hatte, ich kann kaum aussprechen wie weh mir zu Muthe war daß ich ihn nicht bei mir hatte. Das müßte sicher auf ihn gewirkt, ja vielleicht gar ihn hingerißen haben in eine andere Bahn. Aber mein Bitten war ja stets vergebens, wenn ich strebte unsere alten Eichenwälder doch einmal || kennen zu lernen. Ja fast schiens oft, als wenn er sich fürchtete, dann seiner modernen Richtung untreu zu werden. Grüße ihn darum aufs Herzlichste von mir und gleicherweise sei Du und die dortigen lieben Deinen gegrüßt.

Daß mein Brief so arm ist verzeihe und bleib ferner was Du bist

Deinem treuen Allmers

a gestr.: Ostre; b gestr.: wenn’s; c eingef.: ich; d gestr.: ich; e eingef.: ich

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.10.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 8730
ID
8730