Hermann Allmers an Ernst Haeckel, Rechtenfleth, 16. Oktober 1893
Rechtenfleth d. 16 Oct 93
Mein herzlieber Haeckel
Welch eine freudige Überraschung hast Du mir mit Deiner herrlichen und hoch malerischen Sendung bereitet. Vielen vielen Dank dafür mein Herzensfreund, und die Hoffnung, daß auch noch einmal unserm lieben Walter die Augen für des Südens Schönheit aufgehen mögen. Leider ist für’s Erste nicht daran zu denken. Manches der Blätter erkannte ich sofort wieder vor Allem das mit der herrlichen Bananenallee, a dessen Original mir schon, weil es auch in technischer Hinsicht Eins Deiner besten Aquarelle war, lebendig vor Augen blieb. || Der Eindruck ist geradezu paradiesisch. Herrlich auch das Blatt VIII das den prächtigen Bambus im Mittelgrunde zeigt und X (der seltsame Jak Brotbaum), XI und XII, das ja ganz nach unserm lieben Italien versetzt. Nochmals freudevollen Dank und aber Dank.
Kaum minderes Interesse gewährten mir Deine Druckblätter die Deine Sache mit dem elenden Schuft Hamann enthielten, welcher gleich seinem alttestamentlichen Namensvetter des Galgens würdig ist. Gespannt bin ich übrigens auf sein ferneres Verhalten. ‒
Mit dem Blätterfall will Walter ja wieder heimkehren um nach Weimar od. München zu übersiedeln und seine fertigen Bilder ihren Weltgang antreten zu lassen. Wie meine Theilnahme dieselben begleiten wird seien sie wie sie wollen, kann ich Dir nicht sagen. Könnt ich doch endlich einmal || Etwas mit eignen Augen b davon sehn, ich gäb was darum.
Gestern kehrte ich von einem achttägigen Aufenthalt aus Ostfriesland zurück wo ich in Emden zum Besten eines neugegründeten Krankenhauses und mit riesigem Beifall einige öffentliche Vorträge hielt, „Poetische Erlebnisse und Ergebnisse“ betitelt, die das Publicum einmal einen Einblick in die innerste Werkstatt meines Herzens thun ließen und auf diese Weise etwas Neues boten. Die größte Freude aber hatte ich am herrlichen Erfolge meines Friesenliedes welches wenn es mit seiner Verbreitung so weiter geht sicher in wenigen Jahren das echte Stamm- Heimat und Herzenslied der ganzen Küstenbevölkerung wird „Von Niederlands Küste bis Dänemarks Strand“. Ein Gedanke der mich schon jetzt mit unsäglichem Glücksgefühl erfüllt || und den ich ja bereits in meiner letzten Strophe aussprach:
Mein Leib in Heimaterde,
Mein Lied in Volkes Mund.
So wollt ich, daß es werde
Nach meiner letzten Stund’. ‒
Leb wohl Herzlieber, Gruß Dir und Deinem lieben Hause
Dein Vielgetreuer.
a gestr.: das mir vor; b gestr.: sehen