Allmers, Hermann

Hermann Allmers an Ernst Haeckel, Rechtenfleth, 15. April 1893

Rechtenfleth

d. 15 Apr 93.

Herzlieber Haeckel.

Vor Allem, wie Euch allen eina fröhliches und aus tiefster Seele stammendes: Willkommen in der Heimath! und gleich hinterher dann meinen innigsten Dank für Deine lieben herzenswarmen und darum so herzerquickenden Zeilen aus dem Süden. Wie sie mich zugleich hoch erfreut und tief gerührt und ‒ beschämt haben ist mir völlig unmöglich mit Worten darzustellen, Du Riesiger, Famoser Weltberühmter und || doch so Lieber, Inniger, Treuer, und indem ich daran denke: daß Du mir in Einem fort die schöne herrliche und köstliche Liebesfülle Deines Herzens so treu bewahrt hast, erstirbt mir auch das letzte Wort im Munde, wie in der Feder ‒ aber ‒ meine Augen stehn voll Wasser. Das kannst Du mir ja glauben. ‒

Mißdeute vor Allem nicht, daß ich Deinen reichen anregenden Brief unerwiedert ließ. Angesetzt hab ich oft genug zum Schreiben. Aber was war Dir damit gedient, aus meinem entlegenen einförmigen ja fast öden Stillleben, das ich in meinem Heimatsdorf führe und das im Grunde nur ein nach Innen und nach Rückwärts gerichtetes ist, ein Langes und Breites

zu erzählen. ||

Im Geiste war ich täglich bei Dir und durchquerte von Neuem mich an Deinem wundervollen Reittalent erbauend b Siciliens graugelbes Auf und Ab, badete mit Dir im Papyrusdickicht des Anapus, stand im Morgensonnenstrahl mit Dir wieder auf dem Aetnagipfel und sah Dich, wie einst beim Scheiden, noch einmal aus Messinas Meerflut mir den letzten Gruß zuwinken. ‒

Wie ich mich aber auf unser Wiedersehn freue und auf die große gemeinsame Hauptablagerung bei köstlicher Kümmelsuppe, das beschreibt überhaupt keine Feder.

Kaum weniger aber bin ich auf die Studien und Skizzen, die unser lieber Walter heimbringt, gespannt, wie auf seine innere und äußere Entwicklung.

Wenngleich es mit meinem poetischen Schaffen auchc völlig auf die letzte Neige geht || füllt die bildende Kunst doch um so mehr mein tiefstes Herz, und in diesen Tagen beschäftigt mich mit aller Macht ein Plan, den ich d hoffentlich noch vor Pfingsten wie eine Bombe in tausend und abertausend Gemüther e werfe, nämlich ‒ des römischen Forums Wiederherstellung! Aber, falle nicht auf den Rücken und thu Dir weh, ‒ ich meine nicht eine Wiederherstellung wie es anno salutis aussah, sondern – wie Winkelmann und Goethe es in seiner umbuschten wundervollen f Zauberwildniß anschauten und durchwandelten und ein Piranesi g durch seinen Grabstichel uns dessen Anblick bewahrt hat. Die Herrn Archäologen haben jetzt ihren Willen, nunmehr sollen auch viel tausend andre wackre Menschen den ihrigen haben. Halte nur noch ein paar Wochen über mein Vorhaben reinen Mund bis mein Artikel erscheint und ‒ Rom selbst soll schon sein Placet und Fiat sprechen dann heißt es Roma locuta est und - genau so wie der alte römische Schlenderer

Dein alter ewig junger H. Allmers.

a korr. aus: einen; b gestr.: auf; c eingef.: auch; d gestr.: da; e gestr.: ge; f gestr.: Wi; g gestr.: es

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
15.04.1893
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 8717
ID
8717