Allmers, Hermann

Hermann Allmers an Ernst Haeckel, Rechtenfleth, 18. Dezember 1892

Rechtenfleth

d. 18 Dbr 92

Mein herzliebster Häckel, mein Treuer, mein Herrlicher!

Wie mich so eben Dein Brief und die neue Sendung wieder erfreut haben kann ich Dir nicht sagen und möchte Dir am liebsten in jubelnder Begeisterung um den Hals fallen vor Freude über Dein herrliches Wirken, Kämpfen und Siegen. Und dabei gedenkst Du auch noch meiner! während ich Dir doch so ganz und gar nichts sein kann ‒ höchstens Einer, der Dich an schöne unvergeßlich herrliche Stunden erinnern kann. Das ist Alles! Wenig genug.

Du glaubst nicht, wie a mich das zugleich rührt, beglückt und bald || niederdrückt, bald wieder stolz erhebt. ‒ Aber heilig verspreche ich Dir b daß Deine Schrift wahrlich nicht bei mir in Staub und Vergessenheit c ungenützt verkommen soll. Was ich daran thun kann, sollen sie alle Heimatsgenossen lesen, bei denen es nur irgend von Wirkung sein kann. ‒

Und welche berauschenden Reisepläne wirfst Du wie Bomben in meine Seele! Tausend Glück und Herrlichkeitswünsche dazu! -

Daß auch Walter e Italiens Schönheitswelt aufsuchen will überrascht mich ebenso wie es mich erfreut, denn ich dachte ihn schon ganz im norddeutschen Sumpf- Heid und Moorkultus versunken und wollte ihn schon nach der || Malercolonie f steuern, die seit 3 Jahren zu Worpswede einem Dorfe zwischen Mooren und Haiden wenige Stunden nördlich von Bremen ihre g realistischen Orgien feiert, übrigens aber aus sehr netten und gebildeten Leuten besteht. ‒ So wie er aus dem Süden zurück ist bestehe nur aufs Nachdrücklichste darauf, daß er Schüler von Kanoldt wird, dem ich ebenfalls auf meiner Heimreise über Karlsruhe den Zoll meiner Verehrung darbrachte. Ich lernte ihn als blutjungen Künstler nämlich einmal vor langen Jahren unter den Urwaldseichen des Haßbruch bei Hude kennen. Das ist und bleibt für Walter der einzig Rechte. Also gebrauche deshalb auch mal Deine Rechte als Vater. ‒ ||

Mir gehts äußerlich gleichfalls gut in meinem behaglichen wenn freilich auch geistig ziemlich öden und einförmigen Stillleben, das an poetischen Erlebnissen und Ergebnissen h immer ärmer wird. Eins der Letzten sende ich Dir, mein Friesenlied das ich zugleich mit einer Weise versah welche selbst von i namhaften Musikkennern zu meiner großen Freude aufrichtiges Lob erwarb und bald in den Commersbüchern stehen soll, wie ich hoffe.

Ein Expl. der 3 Aufl. meiner Dichtungen schicke ich zum Weihnachtsabend Deiner lieben Lisbeth. Auch Walter möchte ich vor seiner Italienfahrt noch j einen ebenso ernsten wie liebevollen Mahnbrief schreiben. Aber wo feiert Erstere das Fest und wann reist Letzterer? Eine Karte würde mir sehr erwünscht sein. ‒ ‒

Nun aber lasse Dir nochmals um den Hals fallen für Alles und Alles und Deine ganze Liebe zu mir, die unbegreifliche! ‒ Dir, Glücklicher, und Deinem glück und liebedurchsonnten Hause die innigsten Segenswünsche von

Deinem alten treuen H. Allmers

[Beigegeben ein Sonderdruck: „Friesenssang.“]

a gestr.: das; b gestr.: mir; c gestr.: verkomm; d gestr.: meinen; e gestr.: nach; f gestr.: dirigi; g gestr.: xxxx; h gestr.: imm; i gestr.: nahm; j gestr.: nach

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
18.12.1892
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 8714
ID
8714