Hermann Allmers an Ernst Haeckel, Rechtenfleth, 23. Juli 1887
Rechtenfleth
23. Juli 87.
Herzlieber Haeckel.
Zuerst herzlichen obwohl etwas späten Dank für Deinen netten orientalischen Reisebrief, der mich lebhaft angeregt hat. Mit Dir auf Rhodos hätte ich auch für mein Leben gern sein mögen ich weiß sicher es wäre so ganz ein Ort für mich gewesen zu schwelgen und zu schwärmen und zu träumena im b Malerischen, wie im Historischen was es in so reicher Fülle bietet, ja ich habe schon sogar einmal eine heftige Sehnsucht gehabt es zu schauen hervorgerufen durch die Schilderungen des Münchener Professors Sepp in der Augsburger Allgemeinen, die er wie ich glaube auch in erweiterter Form || als Buch erscheinen ließ. Das wäre denn eine rechte Ferienlectüre für Dich. Anderes über Rhodos ist mir unbekannt. -
Meine Romfahrt (an die sich wenn richtige Reisegesellschaft sich findet, sich ebenfalls leicht eine Orientreise reihen könnte) ist leider von Neuem um ein Jahr verschoben. Auf keinen Fall möchte ich jene Stätten so hohen einstigen Glücks c ohne einen meiner lieben alten Mitschlenderer bei mir zu haben, wiedersehen, denn meine allzu weichgeschaffene Seele würde sonst mit namenloser Wehmut erfüllt werden müßte ich d nun einsam oder gar mit e Menschen besuchenf, denen die mir g durch herrliche Erinnerung so heilig gewordenen h Stellen und Gegenstände gleichgültig i vielleicht langweilig wären. ||
Sicher dachte ich mit meinem lieben feinsinnigen röm. Freund dem Baurath Tiede (Berlin) hinreisen zu können, doch sein großer Bau des naturhist. Museums in der Invalidenstraße hält ihn noch den ganzen Winter dort.
Wo ich denselben verbringen will ist mir noch völlig unklar denn in mir streiten sich mindestens ein halbes Dutzend Städte um mich und fast ebenso viele Themata über die ich schreiben möchte. ‒
Wohin gehst Du in den Ferien? Gern möcht ichs wissen.
In der ersten Hälfte des Septembers habe ich zwei Nichten als Reisemarschall durch einen Theil des Harzes und Thüringens zu begleiten und möchte die zweite Hälfte des Monats einer Einladung auf Schloß Matzen bei Brixlegg folgen. Wie schön wärs, könnten wir uns || an irgend einem schönen Orte auf ein paar Tage treffen und wieder nach alter Weise einmal
recht gemeinsam genießen! ‒ Namentlich verlangt mich zu sehen wie sich der liebe Walter entwickelt hat. An dem Jungen hängt ordentlich mein Herz, obwohl ich noch zwei andre Wahlneffen gleiches Namens habe, den Sohn Knilles und eines römischen Freundes. Er ist doch mein Herzenswalter, den ich nun auch bald einmal in den Ferien auf längere Zeit hier haben muß sobald er sich erst völlig der edlen Kunst gewidmet hat. ‒
Diesen Brief schreibe ich im Garten an meinem alten Steintisch an dem der größte Theil des Marschenbuchs und der Schlendertage entstanden und von dem wohl schon 1000 Herzensbriefe in alle Welt gingen. Wie ruhigj schön, wie sonnig und wonnig es rings ist kann ich Dir nicht sagen. Jetzt nun noch ein liebes treues Herz bei mir und ein vollkommnes Glück wäre da. ‒
Mit tausend Grüßen an Euch alle Ihr Lieben
Dein
H. Allmers.k
a eingef.: zu träumen; b gestr.: sein; c gestr.: wieder; d gestr.: Alles da; e gestr.: gleich; f eingef.: besuchen; g gestr.: so; h gestr.: Orte; i gestr.: wären; j eingef.: ruhig; k weiter am Rand v. S. 1: Mit tausend... Dein H. Allmers.