Allmers, Hermann

Hermann Allmers an Ernst Haeckel, Rechtenfleth, 10. Januar 1883

Rechtenfleth

10. Jan 83.

Herzlieber Haeckel.

Mit Deinem lieben raschen Briefe hast Du mich ebenso erfreut wie beschämt da ich Dir ja versprach zunächst zu schreiben. Wie freuts mich daß der Kalender Dir Freude gemacht hat. Eine Menge von Briefen habe ich bereits aus Nah und Fern erhalten, auch aus Rom und Neapel sogar von Rosen und Veilchen begleitet die dasselbe sagen und schon sinne a und werbe ich für den nächsten Jahrgang, der in ornamentaler Hinsicht aber hoffentlich ganz anders ausschauen soll als dieser allzuspät begonnene und schier übers Knie gebrochne. Es ist indeß noch gar nicht || so ausgemacht, ob Fortsetzung folgt, was ja erst durchb die Ostermesse entschieden wird. So weit jetzt bekannt, ist der Absatz sehr gut gewesen. Daß die sanguinischen Hoffnungen meines landsmännischen Verlegers wonachc nämlich schon in diesem Jahre eine Romfahrt für mich d darauf stehn könne, nicht erfüllt werden, ist sicher. – Hoffentlich aber ist mir vergönnt das 25jährige Jubiläum der Schlendertage wieder an ihrer heiligen Stätte zu feiern. – Nächsten Sommer wird's wohl nur zur internationalen Kunstausstellung nach München gehen und ein Stück in die Alpenwelt hinein, zugleich denke ich, seis auf dem Hin- oder Herweg, ein paar alte träumende Städte zu besuchen, welche zu schauen schon lange das Ziel meiner culturgeschichtlichen Sehnsucht war, das stille Gelnhausen mit den Trümmern des Barbarossapalastes, die hochintressante alte Reichsstadt Rothenburg a. d. Tauber und Blaubeuren wo mir in Professor Weidlich ein lieber Freund und || Alpengefährte wohnt. e Schwaben hegt überhaupt f mir gar manchen lieben treuen Kerl und wird mich sicher ein paar Wochen fesseln. Du scheinst, wie mirs vorkommt, eben für Land und Leute dort nicht grade Viel über zu haben. Ich fühle mich unsäglich wohl immer dort. –

Also Dein Werk über Ceylon kommt nicht zu Stande. Ja mein Junge, so reich reizvoll und g belehrend es werden würde, als practischer Verleger h würde auch ich meine ernsten Bedenken dabei haben, zumal ja schon Indien im Allgemeinen durch Schlagintweits Werk vertreten ist. Du selbst bist nun einmal voll davon und hochbegeistert und das läßt Dich das Unternehmen durch eine rosige Brille i betrachten. Ich bin der Meinung je dicker Dein Werk würde, je dünner die Menge welche es kaufen möchte. Aber etwas anderes will ich Dir vorschlagen. Gieb doch Deine köstlichen Briefe (erweitert und mit Anmerkungen versehen) || mit ebenso köstlichem und passenden Bilderschmuck j selbstständig heraus und Du sollst Dein blaues Wunder schauen, wie das herzerquickende und reizvolle Buch riesig abgehen wirdk. Mit leichtester Mühe würdest Du das Geld für eine zweite Tropenfahrt herausschlagenl etwa nach Sumatra Celebes Java oder Borneo was einst ehe mich Kunst und Kulturgeschichte unterhatte, das Ziel meiner jugendlichen Sehnsucht war. Auch Romberg der, wie er sagt seit langer langer Zeit keine solch meister- und musterhaften Reise-Schilderungen gelesen, war derselben Meinung und daß der Leser dabei förmlich nach bildlichen Darstellungen verlangt. Eine Erweiterung des Textes und Vermehrung durch intressante kurze naturwissenschaftliche Bemerkungen aber ist schon deshalb nöthig damit diejenigen, welche Deine Briefe durchm die Rundschau bereits kennen abermals von ihnen angezogen werden können weil sie nun noch reicheren Genuß bieten werden. – Und schlägt das Buch durch, woran garnicht zu zweifeln, dann wirst Du nicht anstehen auch die schönsten Deiner früheren Schilderungen mit reizvollstem Bilderschmuck zu veröffentlichen. ||

Sehr hat mich amüsirt was Du von den verschiednen Wirkungen Deines Eisenacher Vortrags berichtest. Im Grunde finde ich hast Du in jener Rede eigentlich wenig Neues gesagt, wenig was Du nicht selbst schon, auch in anderer Form in Deinen früheren Schriften dargestellt hättest, aber wie Du es in Eisenach noch einmal in seiner Quintessenz zusammenfaßtest und in so frischer, prächtiger, knapper und packender Weise sagst mußte die Wirkung wohl eine famose überwältigende sein. –

Also hinfort werde ich n Gast der Villa Medusa sein, was jedenfalls hübscher klingt, als o würde ich im Quallenhaus oder im Hotel zur blauen Qualle wohnen. Wer aber wird bei jenem Namen an die scheußlich brennenden || Gallertbestien denken. Da kommt mir ein schöner Gedanke. Ich hätte große Lust Dir den Eingangp Deines Hauses mit dem Medaillon eines antiken Medusenhauptes zu schmücken, wie ichs schon einmal zur Verwunderung Aller, die es sahen in Thon modellirte, welches mir leider beim Brennen verunglückte. Ich hatte es nach einem Medusenrelief aus der Villa Hadrians (Tivoli) gebildet und war selbst wirklich sehr befriedigt davon, so daß ich’s gern noch einmal wiederholte diesmal aber lieber feinen Cement zur Herstellung wählen möchte. Hast Du Lust zu solchem Schmuck so schicke mir das Maß und ich gehe gleich nach Ostern freudig an die Arbeit, und Freund Gädechens schönheitsdurstige Seele soll q wenn der Deine gastliche || Schwelle betreten will durchaus kein schmerzliches „Au!“ auszustoßen brauchen, aber zurückschrecken sollr das furchtbare

Antlitz Alles was Du Dir gern vom Leibe halten möchtest. Solchen Zauber will ich schon hineinkneten. –

Aus meinem winterlichen Stillleben weiß ich Dir Nichts zu berichten was Dich tiefer interessiren könnte. Zu einer rechten Arbeit habe ich noch nicht im neuen Jahre kommen können weil ich seit Wochen Nichts gethan als drückende Briefschulden abgetragen denn ein wahrer Montblanc von Briefen lastete Mondenlang auf meinem Gewissen. Ich habe eben nach und nach im Leben so viele liebe treue und herrliche Menschen || bekommen und ich kanns nun nicht lassen mit ihnen in Verbindung zu bleiben, muß wissen wie’s ihnen gegangen, wohin sie wanderten was sie trieben und schafften. So nimmt denn der Briefwechsel mehr Zeit in Anspruch als er sollte, ja oft schon bin ich im Begriff gewesen mich in Schweigen hüllend eine Antwort schuldig zu bleiben aber – jedesmal treiben mich mein Gewissen und meine Freundschaft wieder zum Schreiben.–

Weihnachten und Neujahr gingen still, behaglich und ereignißlos an mir vorüber, bei Euch wirds lustiger zugegangen sein. –

So leb wohl, sei das neue Jahr Dir und Deinem Hause ein schönes reicherfülltes und glückliches und mir bewahre es Deine Liebe. Gruß Euch Allen von

Deinem treuen H. Allmers

a gestr.: ich; b gestr.: auf; eingef.: durch; c gestr.: daß; eingef.: wonach; d gestr.: absehe; e gestr.: he; f gestr.: gar; g gestr.: inters; h gestr.: wüßte; i gestr.: erschauen; j gestr.: her; k korr. aus: würde; l eingef.: herausschlagen; m gestr.: das; eingef.: durch; n gestr.: als; o gestr.: hät; p gestr.: Portal; eingef.: Eingang; q gestr.: durchaus; r gestr.: mag; eingef.: soll

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
10.01.1883
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 8684
ID
8684