Baeyer, Adolf

Adolf Baeyer an Ernst Haeckel, München, 3. Dezember 1905

München 3/12. 05.

Lieber Freund

Erst jetzt komme ich dazu Dir für Deinen lieben Brief vom 1ten Okt. zu danken. Du weißt selbst am besten, wie es bei einer solchen Gelegenheit geht, und da habe ich mir die Beantwortung der Briefe meiner guten Freunde wie ein leckeres Dessert bis zuletzt aufgehoben.

Ich bin nicht ausgekratzt wie andere Leute, sondern habe alles über mich ergehen lassen. Erst Vorfeier am 2ten Oktober und dann wirkliche Feier am 31ten Oktober mit allen üblichen Umständen. Alles ist gut verlaufen und hat bei mir und wie ich glaube auch || bei allen anderen Beteiligten einen guten Eindruck hinterlassen, weil es gezeigt hat, daß die Chemiker zusammenhalten und gewissermaßen eine große Familie bilden. An diesem guten Ton ist Dein Freund ein bischen selber schuld, und es war gut dies anderen Leuten zu zeigen, um so mehr als in der Chemie die Berührung mit der Industrie und dem Erwerb leicht den Ton verdirbt. Das war der eigentliche Sinn dieser Feier. Möge es in Deutschland noch recht lange so bleiben!

Unser guter Freund Richthofen ist nun auch nicht mehr! Noch im September war er munter und frisch bei uns in Starnberg || und niemand hätte vermutet, daß er so schnell uns entrissen werden würde. Am Schreibtisch hat ihn der Schlag getroffen, ein Tod, den ich mir auch wünsche.

Vorläufig habe ich aber noch nicht die Absicht zu sterben, da ich im Laboratorium noch sehr viel zu tun habe.

Die Vorträge, die Du im April in Berlin gehalten, habe ich nicht bekommen. Wenn Du sie mir schicken willst, so würde ich mich sehr freuen. Herzlichen Dank auch für Deine Fotographie vom Jahre 1890.

Meine Frau und ich grüßen Dich herzlich

Dein getreuer

Adolf Baeyer.

 

Letter metadata

Gattung
Verfasser
Empfänger
Datierung
03.12.1905
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 8231
ID
8231