Karl Bauer an Ernst Haeckel, München, 2. Juni 1914
München. Ungererstr. 8. III.
2. Juni. 14.
Verehrungswürdiger, lieber Herr Geheimrat!
nach Ihrem tief schürfenden, theophysischen Gruss durfte ich gestern Ihre lieben Pfingstgrüsse entgegennehmen. Ostwalds Zusammenfassung in einfachen klaren Linien des uns aus Büchern & Schriften wohl bekannten, reichen Lebens und Wirkens habe ich mit höchstem Interesse soeben fertig gelesen & danke Ihnen verbindlichst für die neuen Beweise Ihrer freundschaftlichen Gesinnung, die ich (mit meiner Frau) mit den wärmsten, innigsten Wünschen für Ihr Wohlergehen || erwidere. Zu unserem grossen Bedauern hoerten wir von Freund Walther, dass Ihre verehrte Frau Gemahlin wieder schlimme Zeiten zu überstehen hatte. Wir hoffen zuversichtlich, es möchten indessen bessere Tage eingetreten sein & ein recht guter Sommer einziehen. Der kleine Stammhalter in der Nymphenburger Strasse scheint prächtig zu geraten, seine Schädelbildung ist so vollkommen, wie ich es noch selten bei so kleinen Kindern sah. Ich habe die Ehre seiner Bekanntschaft bis jetzt zwar nur im Bilde gemacht, aber meine Frau, die ihn leibhaftig sah, schwärmt mir davon vor.
Mit den herzlichsten Grüssen von Haus zu Haus
Ihr getreu ergebener
Karl Bauer.