Bauer, Karl

Karl Bauer an Ernst Haeckel, München, 19. November 1909

München. Ungererstr. 8. III.

19. Nov. 9.

Lieber verehrter Herr Geheimrat!

Nun wird Ihr lieber Sohn bei Ihnen eingetroffen sein und, wie ich so gerne annehmen möchte, Sie & Ihre Frau Gemahlin in befriedigendem Befinden angetroffen haben.

Ich komme heute mit einer Anfrage wegen Goethes Bildnis für das phyletische Museum zu Ihnen. ||

Nach reiflicher Überlegung finde ich es notwendig, dass Goethe etwas in die Hand bekommen muss, wodurch er sich auf den ersten Blick legitimirt, weshalb er in Bildnisreihe der ersten Naturforscher erscheint. Man soll gleich beim ersten Betrachten des Bildes aufmerksam werden dass hier weder der Dichterdenker noch der Staatsminister in erster Linie charakterisirt werden soll, sondern vor allem der Naturforscher. ||

Nun möchte ich fragen, ob Sie damit einverstanden sind, dass ich ihm eine Blume oder einen grossen Bergchrystall in die Hand gebe. Ein Schaedel waere ja wohl das näher Liegende, aber Pflanze oder Chrystall würde sich künstlerisch & malerisch dekorativ entschieden besser machen. Was sagen Sie dazu? Baldigste Antwort, vielleicht auf einer Postkarte, würde mich sehr verbinden. ||

Es wird Sie vielleicht intressiren, dass Gerhart Hauptmann letzten Montag im Atelier war & Ihr Bildnis wegen der Aehnlichkeit & der künstlerischen Qualitäten überaus lobte, auch die Zeichnung gefiel ihm ebenso. Vielleicht hat er Sie in Jena, durch welches er gestern heimreiste, besucht. Er sass mir zu neuen Studien, auch wollte ich eine Gesichtsmaske von ihm abnehmen lassen. Letzteres misslang wegen Atembeschwerden, nur die Hand gelang. Ihre Hand möchte ich bei einem Ihrer nächsten Be-||suche auch abformen lassen, wegen einer Gesichtsmaske werde ich niemand mehr bitten, die letzte Erfahrung war beängstigend. Ich hatte einmal mit Herrn Walther ein solches Attentat auf Sie verabredet, doch scheute ich wegen der Schwierigkeit mit dem Barte immer wieder zurück. Bei Beethoven soll die erste Abformung auch zersprungen sein weil er zu sehr schnaubte, Goethe hielt es merkwürdigerweise zweimal aus (1807 & 1816). ||

Herrn Walther lasse ich für seinen letzten Zeitungsgruss schoenstens danken & sende mit meiner Frau in herzlicher Ergebenheit verehrungsvolle Grüsse an Sie & Ihre Lieben

Ihr

Karl Bauer.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
19.11.1909
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 7997
ID
7997