Karl Bauer an Ernst Haeckel, München, 20. November 1911
München. Ungererstr. 8. III. | 20. Nov. 8.
Lieber, sehr verehrter Herr
Geheimrat!
Es wird Sie hoffentlich nicht befremden, wenn ich heute erst auf Ihren so liebenswürdigen Brief antworte & mich für den durch Herrn Walther überbrachten Hut schoenstens bedanke. Allein ich dachte von Tag zu Tag an das Eintreffen des freundlichst || in Aussicht gestellten Bildnisses von Darwin oder der Photographie, um dann für dies zugleich meinen Dank abstatten zu koennen, sowie über ein Fortschreiten meiner Arbeiten schreiben zu koennen.
Ich hoffe, das liebe Nymphenburger Ehepaar noch vor Weihnachten zur Berichtigung Ihres fertigen Bildnisses einladen zu koennen. Ich bin sehr dahinter her. Eine lebensgrosse Kohlenzeichnung, 2 kleine Farbenskizzen der Figur in bräunlichstem Lodenanzug & grauema Mantel, sowie eine lebensgrosse Oelstudie des Kopfes || habe ich mit Hilfe eines passenden Modells indessen als Vorstudie angefertigt. Auch der grosse Hut von 62 cm. hat schon brav Modell gestanden. Morgen beginne ich mit Untermalung der 2 mtr. hohen Leinwand.
Auch zum Darwin habe ich bereits eine farbige Kopfstudie begonnen. Wie ich hoere, war er ebenfalls ein blonder Typus, doch werde ich seine Haut etwas bräunlicher halten wie die Ihrige.
Es waere mir lieb, wenn ich sein Bildnis bald haben koennte, damit ich die Stellung danach wählen || kann.
Ich will ihn als Gegenstück zu Ihnen componiren, da diese grossen, bärtigen, blonden Typen ebenso gut zusammen passen, wie die brünetten, mehr mittelgrossen von Goethe & Lamarck.
Die beiden letzteren werde ich in Stulpstiefeln & im Kragenrock zeitgemäss machen.
Mit freundlichen Empfehlungen an Ihre verehrte Frau Gemahlin & vielen Grüssen von meiner Frau
in herzlicher Verehrung
Ihr ergebener
Karl Bauer.
a eingef.: grauem