Franz Baxa an Ernst Haeckel, Straden, 21. März 1905
Ein heilig Schauern durchrieselte mich während des Lesens dieses Büchels.
Ungeahntes Leben wird darin aufgedeckt.
Mir war’s, als sähe ich ein in „1001r Nacht“ phantastisches
Leben im Felsengebirge.
Im Krystall organische Lebensvorgänge!
Gleiches Werden und Vergehn in beiden Grenzgebiethen.
Die alte Grenzscheide wird im Ruck ins Anorganische
gedrängt, – neue „Porta pia“ thun sich auf, – und
wie ist sie schon broschiert und unterminiert!
Das An- und Organische rinnen zu einem Flusse
zusammen; ehedem durch philosophische Ergründung,
hier wieder durch Beobachtung.
Bei diesen Entdeckungen fehlte wahrscheinlich noch das Ultramikroskop mit neuerhöhter Beleuchtungsart. ||
In welche Geheimnisse wird bald dieses neue Hülfsmittel hineinleuchten?!
All-Einheitlichkeit durchläuft wie ein roter Faden die unabsehbaren Körper und Erscheinungen des Alls, und leitet zum Monismus.
Bei dieser großartigen, logischen Weltanschauung muß unter geistiger Führung unseres herrlichen Professors Häckel eine ideal-materialistische Lebensführung sich entwickeln, und daraus Göthes Edelmensch in Mengen naturgemäß gezüchtet, und die Erde zum Paradiese gestaltet werden.
Weg mit aller Mystik, plauscht nicht vom Jenseits! Alle Sinne, Kopf und Herz, die ganze Thatkraft setzet || freudig ein: sich selbst, den Nächsten, die ganze weite Welt zu erfassen, sich selbstständig zu machen, um dem Ganzen würdig zu dienen.
Von den Edelmenschen werden in einer künstlichen Rumpelkammer, Mythologie genannt, die ältesten bis zu den von Menschen-Gnaden noch regierenden Götter untergebracht, als Phantasie-Gestalten der unwissenden oder ausbeuterischen Menschen; die Phantasie unter Leitung von Verstand und Gefühl lebendig haltend.
Edelmenschen voran als Lebensführer im einzigen menschlich-individuellen Leben, daß Allen die Lebensfreude zugänglich werde! ||
Heil und Sieg! ruft Ihnen verehrter und geliebter Herr Professor Häckel aus begeistertem Herzen zu
Ihr Ihnen
ganz ergebener
Dr Baxa Franz
Straden Steiermark
21. März 1905.
P.S. Ich erlaubte mir beiliegendes Büchl zu übersenden in der angenehmen Hoffnung, Freude zu bereiten.
Meine Adresse auf einem Hôtel-Couvert geriet wol in Verlust, weil Ihr süsses Versprechen nicht eingelöst wurde; und wie freute ich mich darauf! seit dem Freidenker-Congresse in Rom.