Bedriaga, Jacques von

Jacques von Bedriaga an Ernst Haeckel, Florenz, 22. Januar 1906

Firenze, 13, Via del Pellegrino

d. 22. Januar 1906.

Hochgeehrter und lieber Herr Professor,

Letzthin las ich in der Kölnischen Zeitung und im Berliner Tageblatt, dass Sie an Rheuma und Herzschwäche litten und beabsichtigen nach dem Süden zu reisen. Daraufhin machte Ihre Betheiligung an der Kundgebung zu gunsten einer Annäherung an England sowie die Gründung eines Monistenbundes die Runde. – Wir senden Ihnen unsere herzlichsten Wünsche zu Ihrer baldigen und vollkommenen Genesung und hoffen, dass die Herzaffektion nur eine der lästigen Erscheinungen des Rheumatismus ist. Auch mein Herz streikt, wie alles, was russisch ist, sehr hartneckig und schon oft glaubte ich, dass meine letzte Stunde geschlagen hat. Kola und Kognak || sind die besten Mittel dagegen. Die horizontale Lage ist gefährlich und hätte ich nicht stets mein Branntweinfläschchen bei mir, so wäre ich schon längst in meinem Bette förmlich „erfroren“! Und wenn die Cirkulation stockt, so muss ich immer wieder an den Amphioxus denken und ihn beneiden! Und da muss ich auch an die alte Jenenser Zeit denken: Die schwarze Tafel im Auditorium, der Amphioxus von Ihnen gezeichnet und Ihr Enthusiasmus darüber, dass bei dem lieben Geschöpf die Circulationsverhältnisse einfach vor uns liegen. Vor Kurzem besuchte mich Dr. Mikulicich und da kam mir so manches und so lebhaft ins Gedächtniss zurück. Ihr Schüler ist auf der Suche nach einer Assistentenstelle und jetzt höre ich, dass er in Palermo angestellt worden ist. Als er hier war, sagte ich ihm Mantegazza zu besuchen, weil er Senator, also einflussreich und auch sonst verständig ist, während unser Vertebraten-Zoologe eigentlich Ethnologe ist, für den die Lernaeopodiden ein unbekanntes Objekt sind. Erst mit Rosa kommt die Zoologie hier zu ihrem Rechte. ||

Ein Krieg zwischen Albion und Deutschland wäre ein Unglück für beide Länder und insofern theile ich hierüber Ihre Ansicht; aber ein Glück wäre es für Europa, wenn die Britten irgendwo hinter der Türkei exemplarische Hiebe bekämen, denn es ist so ein recht gewissenloses Krämervolk und Napoleon war ein gescheidter Mann als er sie „shop-keepers“ benannte. Wenn der Franzose den Deutschen nicht ausstehen kann, so ist es weil seine allerdings masslose Eigenliebe gekränkt ist, beim Engländer aber sind die Impulse lediglich – Brodneid und die Mittel und Wege zu helfen sind nicht gentlemen-like.

Ich vergesse aber den Hauptzweck meines Briefes. Vor allem will ich Ihnen von Herzen danken für die zwei freundlichst übersandten Broschüren, die mich sehr interessirt haben. Krankheit ist Grund und Ursache, dass ich nicht früher gedankt habe. Dann will ich Sie bitten sich dessen zu erinnern, dass ich in Florenz mich aufhalte. Falls Sie nach dem Süden, also nach || der italienischen Riviera reisen und Hilfe und Pflege im Falle von Unpässlichkeit brauchen, so bitte ich sofort mir zu schreiben; ich würde sofort zu Ihnen reisen.

Wir wünschen Ihnen nochmals von Herzen Gesundheit und viel Freude. Und mit vielen Grüssen verbleibe ich Ihr innigst ergebener

alter Schüler Bedriaga

P. S. Anfang März gehe ich vielleicht nach der französischen Riviera, um mich zu erholen; weiss noch nicht, ob nach Nizza oder Monaco.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
22.01.1906
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7853
ID
7853