Bedriaga, Jacques von

Jacques von Bedriaga an Ernst Haeckel, Berlin, 26. August 1897

Berlin, d. 26. August 1897.

Hochgeschätzter und theuerer Herr Professor,

Verzeihen Sie, dass ich Ihnen so spät schreibe, aber kaum waren Sie abgereist, da erkrankte meine Frau: Magenleiden, horrenter Kräfteschwund und Lähmung der Beine, und da habe ich alles, alles vernachlässigen müssen. Jetzt sind wir, Gott lob, so weit, dass meine Frau das Gehen wieder erlernen kann. Das Schicksal verfolgt uns wahrlich. Der Sommer ist vorüber und woher die verlorenen Kräfte zu sammeln? an einen Gebirgsaufenthalt kann nicht mehr gedacht werden.

Ich hoffe, dass diese Zeilen Sie noch in St. Petersburg antreffen werden und dass Sie bis dato mit Ihrer Reise zufrieden sind. ||

Anbei ein Brief an Baron von der Osten-Sacken, der eine hervorragende Rolle in Russland einnimmt und ein ausgezeichneter Mensch ist: goldenes Herz und die verkörperte Bildung und Gelehrsamkeit. Auch habe ich an den ersten Assistenten am Zoologischen Museum in der Akademie geschrieben; er wird sich sicherlich ganz und gar Ihnen widmen; sein Name ist Büchner, sein Gemüth: deutsch.

Wenn Sie Ihrer Frau Tochter etwas mitbringen wollten, so rathe ich Ihnen in Tiflis einen silbernen Gürtel mit silberner Schnalle zu kaufen, herrliche Dinge sind es mit dem schwarzen Email. Für sich würden Sie gut thun chinesisches Seidenzeug, natürlich Farbe, grobes Gewebe, etwa zu 90 Kopeken per Arschin für einen Reiseanzug zu kaufen; man braucht davon für Ihre Grösse etwas wie 9 Arschin (Jaquet und Weste); es ist unverwüstlich, wäscht sich in Seifenwasser (leicht ausdrücken, und feucht plätten) und sehr angenehm zu tragen. Verkäuflich in Moskau im || persischen Laden in den sogenannten Neuen Riadi. Versuchen Sie in den Museen das Steppenhun für Ihre Sammlung zu erhalten. Im Dampfboot, der Stadt Samara gegenüber, denken Sie an mich; auf der Wolga werden Sie wohl Leute kennen lernen, die die Bedriagas gut kennen.

Sie werden wohl genau mit dem Herrn Facke in Petersburg zusammengetroffen sein, also keinen richtigen Urtheil über die jetzt rothweiss-blau austapezirte Stadt haben; dafür aber ist sie hübsch rein gefegt. Wie heisst doch der frühere Assistent Bütschli’s, ein Russe, der jetzt einen Ruf nach Petersburg erhalten hat, Sie werden ihn gewiss persönlich kennen, er könnte Ihnen nützlich sin; es ist eben die todte Saison und leider, leider kann ich Ihnen keine nützlichen Empfehlungen geben. Grüssen Sie den alten Kasbek, Salamandra caucasica und Triton vittatus von mir und lassen Sie sich drüben in Transkaukasien die „Lesginka“ vortanzen. Sollten Sie nach Jalta (in der Krym) kommen, so besuchen [!] Sie || meine jüngste Schwester auf; sie ist dorten mit einem Dr. Bogdanowitsch verheirathet. Vergessen Sie nicht, dass falls Ihnen in Russland irgend welche Schwierigkeiten im Wege liegen, Sie stets zu den höchsten Beamten gehen müssen, z. B. zum Gouverneur oder dergl., sonst ist es verlorene Zeit und Mühe. In Wladikawkas müssen Sie zeitig die Post benachrichtigen, wenn Sie nach Tiflis kommen wollen. In den Hôtels und Läden tüchtig handeln; ½ oder 2/3 des gefragten Preises.

In Moskau müssen Sie den Kreml, die Kirche des Erlösers, die Kirche mit den 4 verschiedenen Thürmen (oder Kuppeln) besichtigen, nach den Sperlingsbergen fahren, um den Ueberblick über die verrückte Stadt zu haben und nach den Park Petrowsky, um hie und da wirklich herrliche Pferde zu sehen. Im Moskauer Zoolog. Museum ist nichts besonders, aber die Bildersammlung von Tretiakow, lauter Russen wir Werestschiagin, Makowsky etc, ist sehenswerth.

Wohl noch nicht haben Sie, mein lieber, hochverehrter Herr Professor, einen so einfältigen Brief erhalten. Aber zur Schönschreiberei habe unter gegenwärtigen || Umständen keine Lust und gescheidte Gedanken kommen bei mir überhaupt nicht vor. Mein Zweck ist Ihnen einige Winke zu geben und ich hätte noch viele der losen Blätter, aber die Zeit vergeht und der Brief muss endlich fort.

Wir, meine Frau und ich, umarmen Sie herzlich und wünschen Ihnen viel, viel Freude während Ihrer Reise; in Gedanken reise ich mit Ihnen. Aufwiedersehen in Nizza oder Jena! Unsere schönsten Empfehlungen und Grüsse an Ihre werthe Frau Gemahlin und Kinder.

Ihr stets treuer Freund und

Schüler Bedriaga

Den herrlichen, in Ihrer Gesellschaft verbrachten Abend vergessen wir nicht so leicht. Es war zu gut von Ihnen uns Ihre Zeit zu opfern.

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
26.08.1897
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7849
ID
7849