Beckmann, Otto

Otto Beckmann an Ernst Haeckel, Göttingen, 21. Dezember 1858

Göttingen, 21. xii. 58.

Edler, wenn auch schreibfauler Freund!

Glücklicher Erdensohn, erschrick’ nicht, wenn Du diese Zeilen liest. Lange gehegte Wünsche können zuweilen in Erfüllung gehen, wie Du weißt und so wäre es nicht unmöglich, dass auch Dein kleiner Freund, den jetzt das öde Göttingen birgt, plötzlich vor Dein Angesicht träte und Rechenschaft von Dir forderte. Welch’ grausiger Moment! In der That hat selbiger nicht genug in diesem Neste zu sitzen und mit dem Mikroskope das menschliche Dasein zu zerrütten, er geht sogar mit kühnen Reiseplänen um und gedenkt, wenn ihm keine fürchterlichen Hindernisse in den Weg treten, in dem edlen Berlin zu erscheinen. Ich denke mir und Du musst’ mir es nicht verargen, es ist, da ich nur 3 Tage bei Euch bleiben kann, das Zweckmäßigste, wenn ich mich in irgend einem Hôtel niederlasse; Dein liebes Haus steht mir für später gewiss auch offen und ich weiss recht gut, dass ich Deine Freundlichkeit nicht ungerecht bei Seite schiebe, wenn ich dem augenblicklichen Bedürfniss nach handle. Wir werden uns genug sehen können, aber ich möchte ausserdem vor Allem zu Virchow, ihn sprechen und sehen und um es offen zu sagen, das ist die Hauptsache. Du kennst mich genug, um das richtig zu verstehen. Nach meinem jetzigen Plane denke ich am Sonntag d. 26. mit dem Zuge um 9¾ von Magdeburg anzukommen und mich in einem Gasthause „zum Landhause“ in der Mittelstrasse niederzulassen. Man hat mir letzteres empfohlen; ob mit Recht, weiss ich nicht. Gehab’ Dich wohl und feire Dein Fest recht froh.

In alter Liebe

Dein kl. Beckmann.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
21.12.1858
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7830
ID
7830