Beckers, Hans

Hans Beckers an Ernst Haeckel, [Wilhelmshaven], 26. Februar 1915

Auf Vorposten den 26/2 15

Geehrter Herr Professor!

Zunächst bitte ich Sie um Verzeihung, daß ich so ohne weiteres an Sie schreibe, – doch es drängt mich, einem so edel denkenden Menschen, wie Sie, der meine ganzen Herzenswünsche und Ideen, die seit langem schon in meinem Herzen keimen, – in klaren, festen Zügen schon dera blindgläubigen, unterdrückten Menschheit unterbreitet, mit der Absicht, nur ihr Glück und Wohl herbeizuführen, – – – mein übervolles Herz auszuschütten! – – Vor vier oder fünf Jahren habe ich mal Ihre „Welträtsel“ gelesen; jedoch nicht recht verstanden – aber jetzt, in dieser schweren Zeit, in welcher so || manche tiefen und ernsten Fragen im Menschlichen Gemüte angerührt werden, – Fragen, über Gott und Welt, Leben und Jenseits, – – – da sind mir Ihre aufklärenden Bücher wieder im Sinn gekommen, – ich habe sie gekauft, – mit Eifer studiert, – – – und auch recht verstanden. – – – Solange ich denke, habe ich stets nach Wahrheit gesucht und geforscht – – nun aber bin ich endgültig zu derselben gelangt! – – Und zum größten Teil verdankeb ich es Ihnen, – Herr Professor, das mein bisher ruhelos irrendes Herz zur Erkenntniss gekommen ist! – –

– – Durch Studium der alten griechischen Weisen, ist, vor Jahren schon, die rechte Liebe zu meinen Mitmenschen, in meinem || Herzen eingeprägt, mein Denken angeregt, die Liebe zur Natur anempfohlen. – – – aber nun habe ich mit Hülfe Ihrer „Welträtsel“ und „Lebenswunder“, das wirkliche „Sein“ erkannt! – Ich bin der Ihrige, voll und ganz! – – auch ich möchte, und will es auch, – der heutigen Scheinkultur entgegenarbeiten – mit aller Kraft und Überzeugung, – – und der Menschheit ein „Zurück zur Natur“! zurufen, und ein unermüdlicher Bahnbrecher der „reinen Vernunft“ werden. – – Dieses Letztere hat mich der edle Tolstoi gelehrt, – – schon seit langem habe ich mich von den alten traditionellen „Sitten“ und Unsitten befreit, und das getan, was mir meine Vernunft eingab, – – habe es stets praktisch || durchgeführt, – Aber wie viele Feinde und Hasser, sind mir deswegen in meinen Freunden- und Bekanntenkreisen, entstanden, – wie manches harte und gehässige Wort, habe ich zu hören bekommen – – – doch der guten Sache, der ich diene, hat man durch allem nicht schaden können, – – und diesen armen verblendeten Menschen konnte ich es auch nicht für übel nehmen, – – und übrigens kann mich kein Sterblicher beleidigen. – – Und nun möchte ich Sie bitten, mir die Bitte zu gewähren, Ihnen, Herr Professor, bisweilen und Rat und Hilfe zu fragen, wenn meine, noch so gering entwickelte Vernunft, vor unbekannten Dingen steht! – Ich wäre Ihnen von Herzen dankbar. – Auch fehlt mir oft die richtige Ausdrucksweise, – || – Ich empfinde vieles, – eine ganze Welt lebt in mir, – doch ich kann es nicht so c vom Herzen bringen, – – die wahren Begriffe sind mir noch unbekannt! Ich habe leider auch nur die Volksschule besuchen können, – ich hätte mit tausend Freuden gern studiert, – doch, da ich schon früh meine Eltern verloren, so liessen meine Mittel es nicht zu, d – ich war zur Arbeit verdammt! – –

– Doch, noch bin ich jung, noch fühle ich die Kraft in mir, mein Letztes dranzusetzen, um den unnatürlichen Geiste, in dem die Menschheit lebt, entgegen zu treten! – –

Und dem kann nur durch einee gründliche Erziehung, von Anfang an, zu Leibe gegangen werden! –

Ich weiss, Sie denken auch so! – ||

– – Nun möchte ich Sie noch einmal von Herzen bitten, mir beizustehen, mit gutem Rat, – denn in Sie habe ich bis jetzt nur den einzigen Menschen gefunden, der meine ganzen Ideen, trägt!

– Wenn dieser Krieg zu Ende ist, dann bin ich wieder frei, von allen militärischen Banden und Fesseln, – und dann kann ich ungehindert meine Anschauungen vertreten! – –

Nun will ich schliessen, in der Hoffnung eine kleine Antwort Ihrerseits und verbleibe mit herzlichem Gruß und Hochachtung –

Ihr treuer Hans Beckers. –

Meine Adr. ist: Heiner H. Beckers. S.M.S „Stettin“.

a korr. aus: danke; b korr. aus: dem; c gestr.: bei; d gestr.: zu; e korr. aus: einen

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
26.02.1915
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7812
ID
7812