Becker, Daniel Georg

Daniel Georg Becker an Ernst Haeckel, [Rödelheim], 6. Oktober 1903

Hochverehrter Denker.

Ich habe Sie doch wohl nicht beleidigt mit dem Traubenbeerengruß?

Meine Absicht war, Ihnen, der Sie so Vieles auf der Erde und ihrer Flüssigkeithülle gesehen und ergründet haben, eine kleine Überraschung zu theil werden zu lassen. Habe ich dieselbe vielleicht in ungeeigneter Weise geboten, dann bitte ich Sie, im Namen des Koboldes, der mir wieder einmal im Genick gesessen haben muß, vielmal um Entschuldigung. Es drängt mich Sie zu interpellieren mit der Frage, was Sie von E. v. Hartmanns „Philosophie des Unbewußten“ halten. Die Consequenz führt ihn, so viel ich herausfinden kann, zum „Wunder“, und dieses ist doch für den Forscher abgethan.

Wenn Sie, hochgeehrter Freund Zeit hätten, und wollten, könnten Sie mich mit ein paar Worten aus dieser Gedankenklemme bringen. Hartmann verehrt Sie hoch; und || kommt zum „Wunder“. Das kriege ich nicht rund!

Die riesenhafte Thätigkeit des „Unbewußten“ in der Führung der Substanz liegt uns und der Welt ja in allen Gliedern!

Bedürfen wir aber zu ihrer Erklärung nothwendig des Wunders? –

Unsere junge Denkerin Thekla hat mit ihrem neuen Schwager einen Strauß siegreich durchgefochten, und zwar für Sie. Sie kommt auf 8 Tage zu uns. Da bin ich begierig zu erfahren, wie sich die Hexe angestellt. Die mag gut wild gewesen sein!

Wenn sie hier ist, schreibe ich das Resultat. Schließlich bitte ich um einen kleinen Bericht „wie es Ihrer leidenden Frau und Familie geht.“

Meine Tochter läßt herzlich grüßen. Die Schüler jagen mich vom Schreiben! Deßhalb „Schluß“.

Ihr aufrichtiger Freund

D. G. Becker

6/10/3

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
06.10.1903
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7742
ID
7742