Becker, Daniel Georg

Daniel Georg Becker an Ernst Haeckel, Rödelheim, 5. Dezember 1901

Hochverehrter Herr.

Ihre so rasche und freundliche Beantwortung meines Schreibens nöthigt mich, Ihnen meinen herzlichsten Dank für die Berücksichtigung dess. auszusprechen. Die Folge dieses Ihres freundlichen Entgegenkommens ist ferner die Freiheit die ich mir nehme „Sie von einer meiner letzten mikroskopischen Beobachtungen (ich muß jetzt, der Augen wegen vom Mikroskop absehen) in Kenntniß zu setzen.“

„An meinem Wohnort war behufs Ziegelbrennerei das Alluvial immer 25 Fuß tief bis auf’s Grundwasser abgehoben worden. So gründlich, || daß ein flacher See entstand, der sich allmälig mit Weiden, Binsen etc. bewuchs. Diesen nahm ich in Arbeit.

Ich fand zwei noch nicht angeführte Gestalten bei der Suche. 1.) Eine Protozee welche den Äälchen in der Länge gleichkam, aber stumpf an Kopf und Ende, gänzlich fein bewimpert. Sie konnte sich bis zur Kugel zusammenziehen, und zwar sehr rasch. 2.) Eine Actionphris welche ich auch nur in benannter Örtlichkeit (trotzdem ich so viele Oberrinsale und stehende Gewässer durchsucht) fand. Diese Form war bedeutend größer als die bekannten beiden Formen, hatte mit Nesselorganen besetzte Tentakeln, nicht geknopft, und 3–4 mal so lang als a der Körperdurchmesser. Die Beute welche zwischen || die Tentakeln gerieth, war wie vom Blitz getroffen. Sollte vielleicht hier die jungfräuliche Örtlichkeit mit schuld sein an der Bildung dieser Gestalten? (Ich schnitt die betreffenden Zeichnungen aus meinem Skizzenbuch aus.)

Ferner muß ich Ihnen, verehrter Herr, mittheilen, daß ich im Laufe der Jahre eine Sammlung mineralischer Dünnschliffe gemacht, circa 1000 Stück, enthält neben Selbstgesuchten, die typischen Gesteine der Sammlung des Prof. Rosenbusch. Die paläontologische Firma Stürtz in Bonn gab mir dafür daß ich einen ihrer Arbeiter meine Schleifmethode beizubringen suchte – suchte! – – – ||

Er hatte die Hand eines Steinklopfers, der er ja auch war, weil er reiste, und an Ort u Stelle die benöthigten Handstücke schlug. Aber die feine Hand fehlte. Folglich Alles für Dünnschliffe Nöthige. Das Deckglas für die Präparate ließ ich roh von Birmingham kommen, schnitt die 22 mm-Scheibchen selbst, und doch kostete mich nur das Deckglas allein 36 M. Diese Sammlung würde ich, wegen der Ruhe vom Kampf, die mir ja nahe ist, verkaufen.

Eine Universität scheint mir vielleicht der richtige Absatzort. Deßhalb gestattete ich mir, Sie, den Verfasser der „Welträthsel“ mit der Nachricht dieser Schacheridee anzugehen. Les extrimes se touches.

Mit der Bitte um Ihre Nachricht zeichne

hochverehrend

D. G. Becker.

Rödelheim bei

Frankfurt m

5/12/1

a gestr.: bei

 

Letter metadata

Empfänger
Datierung
05.12.1901
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7736
ID
7736