Becker, Cathi

Cathi Becker an Ernst Haeckel, Hamburg-Eppendorf, 30. Dezember 1911

Hamburg-Eppendorf, 30.12.1911.

An

Se. Exzellenz

Herrn Geheimrat Prof Ernst Haeckel.

Hochverehrter Herr Geheimrat!

Eurer Exzellenz freundlichen Weihnachtsgruss und Beigabe haben mir eine ungeahnte, nie für möglich gehaltene freudige Überraschung bereitet. Dass Schwester Hermine Haeckel gegen Sie Helgolands und meiner Ernährung getan, habe ich nicht gewusst, und selbst dann – hätte ich in Gedanken an erfolgte Tatsache mich versteigen können?

Es war so selbstverständlich, als Schwester Hermine mir ihren Vatersnamen nannte, und sie sich als Ihre Verwandte mir kund gab, dass ich hoch aufhorchte. Weiss ich doch, dass meine Mutter 1854, damals 17jährig, das Glück hatte, den jungen Studenten Ernst Haeckel bei seinem Lernen und Streben betrachten und bewundern zu dürfen. Schon in meiner Jugendzeit hat sie mir den Ernst und die Würde Ihres || Schaffen geschildert und von Ihrem unermüdlichen Fleisse erzählt. Bei Tagesbeginn im kleinen Boote auf dem Meere, und abends beim Kerzenschein im einsamen Stübchen wurde noch gearbeitet.

Lebhaft gedenkt sie der Wunder, die sich ihr offenbarten, wenn der Herr Student in sein Mikroskop ihr einen Einblick gewährte. Mit Stolz denkt sie daran zurück, wenn sie die Welträtsel liest und in Ihr Lebensbild von W. Bölsche sich vertieft. Dazu kommt nun noch das hochgeschätzte Buch von Arnhold Dodel und sogar von Ihrer eigenen Hand mir geschenkt. Diese Ihre Güte gegen mich giebt den Beweis, dass Sie an Helgoland noch eine freundliche Erinnerung bewahren. Unter deutscher Regierung veränderte sich die Insel von Jahr zu Jahr. In eine Festung verwandelt ist sie teilweis kaum wieder zu erkennen. Und doch war es seit ihren Kindertagen das Ideal meiner Mutter, dass ihre Heimat dem deutschen Reiche angegliedert werden möchte.

1871 hat sie, noch unter englischer Regierung stehend, ihrer Deutschgesinnung Ausdruck gegeben in dem Gedicht, welches beizulegen ich mir gestatte, da es ja so lebhaft an Helgoland erinnert; gedruckte Exemplare davon sind nicht mehr vorhanden, mögen denn Eure Exzellenz die Handschrift nicht verschmähen. Diese durch Sie selbst herbeigeführte Gelegenheit möchte meiner Mutter sich || nicht entgehen lassen, Ihnen ihren ehrerbietigsten Gruss durch mich zu übermitteln, welches ich bitte mir gütigst gestatten zu wollen. Wie gross war die Freude als seiner Zeit die Zeitungsberichte uns in Aussicht stellten, Eure Exzellenz würden nach Hamburg kommen. Wir hätten dann das Glück gehabt, wenn auch nur in weiter Ferne in einem grossen Saal Sie zu sehen und sprechen hören zu dürfen. Die Enttäuschung war schmerzlich, um so mehr da Ihr Nichterscheinen einen so logischen Grund hatte. Viele Zeitungen wurden durchblättert um nach dem Unfall, der Sie betroffen, den Verlauf der Heilung zu erfahren. Hoffentlich erfreuen Sie sich jetzt einer völligen Genesung.

Ihnen beständige Gesundheit und ungetrübte Lebensfreude zum neuen Jahre wünschend, schliesst mit tiefgefühltem Danke und ehrfurchtsvollem Gruss

Eure Exzellenz

Hochachtungsvolle ergebenste

Cathi Becker.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
30.12.1911
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
A 7734
ID
7734