Leopold Besser an Ernst Haeckel, Asyl Pützchen bei Bonn, 18. Dezember 1888
DR. BESSER, ASYL PÜTZCHEN BEI BONN, 18/Decbr. 1888
Hochverehrtester!
Warum schweigen Sie gänzlich?
84 auf unserm Spaziergang sagten Sie: „in 2 Jahren, sobald ich den Challenger hinter mir habe, gehe ich wieder in die Arena.“ Weder Wiesbaden noch Köln sah Sie. – Und ist’s nicht nöthig, den Speer zu schwingen?
Freilich die Erde dreht sich. Und die Menschen – unbewußt „Stifte“ im großen Mosaik-Bild, wie sie es so ja fast Alle sind – vermögen sich der Atmosphäre nicht zu entziehen. Aber der Eine in Rom, der die Last für seine Heerde mit dem Index reinhält, reizt er Sie nicht? Wollen Sie ihm mit Ihres Namens Gewicht nicht einen offenen Brief schreiben, dass sich seine || Roth-Käppchen den Schlaf aus den Augen reiben?
Oder eckelt Sie unser Materialismus an? Sie hätten ja recht. Aber woher sollen die Menschen, woher soll die Jugend einen idealen Gedanken hernehmen, während man sie fernhält, sich selbst zu verstehen u. zu begreifen? Die Ideale, die auf der philos. berüchtigten „erkenntnisstheoretischen Thatsache des Bewusstseyns“ aufgebaut wurden: sie thun’s freilich nicht mehr. Und von unserm reichen, überreichen, üppig-fruchtbaren Boden des physiologischen u. biologischen Wissens: ach wer von den gymnasial-gebrillten Leuten bekümmert sich denn um die Natur! Wären’s Gänselebern, Ordens-Sterne, Zeitungs-Berichte u. irgend welcher socialer Pfeffer, wär’s ein großer Geld-kostender u. Ruhm einbringender Genuß! Aber so das Bischen Natur! A propos dasa „A Berlin“ des Herrn Preyer ist’s eine Signatur beginnender Paralyse? Ich sah den Mann ½ St. in Wiesbaden. Normal war er nicht. Und jetzt Priv. Doc. i. Berlin? Ruhmes-Teufel riecht uns Irr-Arzt u. nach Paralyse. ‒ ?
Sagen Sie doch bald, warum Sie gar nicht mehr unter die Speer Werfenden gehen,
Ihrem ergebensten
Dr. Besser.b
a eingef.: das; b weiter am Rand v. Seite 2: Sagen Sie … Dr. Besser.