Besser, Leopold

Leopold Besser an Ernst Haeckel, Beuel, 1. Juni 1885

DR. BESSER, ASYL PÜTZCHEN BEI BONN, 1/VI 1885

Geehrter Herr Professor!

Der übliche „Magenbrief“ soll Ihnen nicht erspart werden u. soll namentlich Ihre hochverehrte Gattinn sich sagen lassen, wie wohl dem alten Jenaischen Burschenschafter deren liebenswürdige thüringische Gastfreiheit gethan hat. Ihr „theures“ Tuskulum wird mir stets in freundlichster Erinnerung bleiben.

Nun aber – Sie sollen sehen, ich bin ein hartnäckiger Mensch – komme ich Ihnen immer wieder damit, dass die Qualitäten draußen sind u. wir somit keine Gott-ähnlichen Wesen seyn können. ||

Sind erst mal die Challenger-Bände alle geschrieben, dann möchte ich Ihnen die Erwägung dringendst an’s Herz i. e. das cerebrum legen, dass Bewusstseyn, Seele, Geist, Bezeichnungen für summarische Vorgänge im Organismus sind, Functionen, sich aus breiten Reihen von Empfindungen zusammensetzend.

Die Empfindung a in ihrer fundamentalen u. primitiven Form aber ist wieder nur ein Ausdruck, ein Wort für den Complex eines reflectorischen Vorgangs.

Die ganze Kette der organischen Funktionen, die den Ablauf eines Reflex-Vorganges bilden, nennen wir Empfindung.

C’est tout! Und so lange die Menschen sich das nicht analysiren, werden sie wie Ehren-Preyer und Consorten bis zum Thomas Aquinensischen Rom herab ihre Flittern um den Seelen-Popanz hängen.

Ganz der Ihrige

L. Besser

A propos: War’s Ihnen Ernst, 14 Tage im Herbst in meiner Begleitung das Ränzchen zu tragen??b

a gestr.: aber; b weiter am Rand v. S. 2: A propos … zu tragen?

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
01.06.1885
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 7595
ID
7595