Besser, Käthe

Käthe Besser an Ernst Haeckel, Marburg, 20. November 1907

Marburg / Lahn 20.11.07 | Wörthstr 42

Hochverehrter Freund,

Längst hätte ich Ihnen schon für Ihre letzten, gütigen Zeilen danken sollen, aber ich war fast Ahasver, modern ausgedrückt, Gondel-Wilhelmine, und trieb mich bei Verwandten und Freunden auf diesem fragwürdigen Stern Erde, umher. Seit November bin ich bei lieben Freunden in dem doch selten reizend gelegenen Marburg. Es heißt nicht ohne Grund die Perle Hessens. Nun heißt es bald wieder Abschied nehmen und den Kampf mit || dem Leben beginnen. Aber mit den wieder gewonnenen Kräften, habe ich auch meine Energie wieder gefunden. Da es unmöglich ist, mit meinen mehr als schwachen Mitteln auszukommen, so habe ich mich entschlossen eine Stelle als Gesellschafterin, als Hausdame anzunehmen. Ich bin wirklich nicht arrogant wenn ich behaupte, daß ich so recht der gute Geist eines Hauses sein könnte. Ich verstehe zu pflegen, die Küche leite ich mit Vorliebe etc. Ich könnte wirklich solchen Posten annehmen. Aber wo finden? Sie verehrtester, || lieber Herr Professor, mit Ihren unzähligen Beziehungen, wissen vielleicht eine solche Stelle für mich oder Ihre Frau Gemahlin? Sprechen Sie einmal mit ihr darüber, bitte! –

Ich hoffe doch, daß es Ihnen leidlich mit Ihrem Herzleiden geht. Die Herzen die man garnicht spürt, sollen oft die kränksten sein. Wagen die viel krachen, brechen nicht so leicht. Man muß halt dem Alter Concessionen machen, es hilft nichts. Bei Ihnen ist nur immer die Gefahr, mehr Kräfte zu verausgaben, als gut. Also, stets Gewehr bei Fuß halten! ||

Ich habe auch allerlei Leid in der Familie. Der Mann meiner ältesten Tochter ist krank und haben sie ein krankes Töchterchen von 3½ Jahren, das so asthmatisch, daß es den ganzen Winter im Norderneyer Hospiz zubringen muß. Schwiegersohn II ist mir durch sein Benehmen und ausgeprägten Egoismus ein Fremder. Mein Sohn ist Offizier – zum studiren langte es nicht, die kleine Zulage wird mir teuer genug.

Von dem Bearbeiter des letzten manuscripts meines Mannes, hörte ich lange nichts. Es tut mir leid, daß aus Ihrem Vorwort nichts wurde.

Da fällt mir ein – ich müßte eigentlich Excellenz sagen – gelt, Sie verzeihen mir das Versehen?

Mit herzlichen Grüßen, und der Bitte, mich Ihrer Frau Gemahlin zu empfehlen, stets in größter Verehrung

Ihre

dankbar ergebene

Frau Käte Besser.

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
20.11.1907
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 7586
ID
7586