Besser, Käthe

Käthe Besser an Ernst Haeckel, Bonn, 4. Oktober 1899

Bonn 4.X.99.

Verehrter Freund,

Ihr Brief hat mich doppelt erfreut, weil er sich mit dem meinen just gekreuzt hat und ich so entnehmen konnte, daß Sie doch meiner gedacht haben, ehe Sie von meiner Bitte doch mal von sich hören zu lassen, wußten. Ich hatte mein Brieflein am 2. Oktober nach dem zoologischen Institut in Jena adressirt und auf der Rückseite um Nachsendung gebeten. Ich hoffe daß das eine mitleidige Seele gethan hat, da Ihnen doch gewiß viele Briefe nachgeschickt werden. – Sie Beneidenswerther schwärmen ja gründlich in der Welt umher! Und was das Schönste ist – wie ein Jüngling! Kalte Fluß und Seebäder || große Fußwanderungen die Ihnen herrlich bekommen! Schelten Sie noch einmal auf Ihr gutes cor – bei mir finden Sie über seine Unvollkommenheit keinen Glauben mehr. Es scheint doch absolut intakt zu sein und eben nur das Nervensystem hier und da zu streiken, was nach Ihrer Arbeitsbewältigung und dem Kummer um die Gesundheit Ihrer Lieben wahrlich nicht anders zu verlangen war. –

Nun sind Sie bereits in der ewigen Stadt! Rathe Ihnen dringend verehrter Herr Professor, sich beim heiligen Vater zum Thee anzusagen und ihm einige Kapitel aus den Welträthseln vorzutragen. Zum Dank läßt er Sie den Pantoffel zwei Mal küssen. Sie schreiben – ich bleibe einige Wochen in Rom – ehe ich nach Jena zurückkehre. Wollten Sie vielleicht || Bonn schreiben? Mir ahnet Grausames! Sie wollen mich um den tröstenden Bonbon, den Sie mir als Ersatz für die geplante Tyrol-Reise versprachen, bringen? C’est perfide! – Ich höre hoffentlich – um eine Karte bitte ich unbescheidener Weise noch aus Rom, recht bald von Ihrem lieben Besuch bei uns. Seit 2 Tagen haben wir wieder normalen Barometerstand, nachdem wir 5 Wochen nur Regenschauer und Kälte hatten. Der berühmte Altweibersommer fängt an seine weißen Fäden zu spinnen. In Baden hatte ich drückende Hitze die ganze Zeit und wäre auch gern ein Seethier in der kühlen Tiefe gewesen, denn selbst a imb schönen Buchenwald war‘s bei der hohen Temperatur sehr warm. ||

Die Nächte sind hier sehr kühl, streifen dicht am Frost. Ich komme wieder darauf, wie nöthig Ihnen das rheinische Klima als Übergangsstadium zwischen Rom und Jena ist. Sind Sie schon im Besitz der neusten Zukunfts-Nummer (53) mit dem Artikel, Ernst Haeckels Arbeitsstätte, von Else Franken? Soll ich sie Ihnen senden? Zum Schluß heißt es: Er ist trotz seinen Jahren rasch und schlank geblieben und die hochliegenden Stimme klingt merkwürdig jung. Durch freundliches Lächeln und vieles heitere Lachen haben sich bei ihm die sympathischen feinen Fältchen an den äußeren Augenwinkeln gebildet, die nur sehr sanguinischen und phantasievollen Menschen von der Zeit mit ihrem, meist so schwunglosen Griffel ins Antlitz gezeichnet werden.

[ ], als das Bild Eines, der guten [ ] Wind in den Segeln seines [ ] hat, wird die Erinnerung [ ] Ernst Haeckel in den Annalen der Universität Jena fortbestehen.

Für heute Adio verehrter Herr Professor! chte mir der Südwind gute Kunde bringen.

Mit herzlichem Gruß

Ihre

Käthe Besser

a gestr.: der; b eingef.: im

 

Letter metadata

Verfasser
Empfänger
Datierung
04.10.1899
Entstehungsort
Entstehungsland
Besitzende Institution
EHA Jena
Signatur
EHA Jena, A 7555
ID
7555