Käthe Besser an Ernst Haeckel, [Bonn-Poppelsdorf], 22. Juli 1899
Verehrtester Freund,
Da muß ich mich trotz der tropischen Hitze gleich an den Schreibtisch setzen und Ihnen sagen wie traurig ich über Ihre Hiobsposten bin. Aber Sie dürfen sich nicht von den widrigen Schicksalswinden niederwehen lassen. Es giebt wohl kaum Härteres als die dem Herzen am nächsten Stehenden schwer leiden zu sehen, ohne im Stande zu sein zu helfen. Sie hätten wahrlich einen andern Lebensabend verdient. ||
Mit Verzweiflung tragen wir aber wirklich nur noch schwerer. Darum Muth, verehrter Herr Professor, hinter den Wolken kommt das Blaue schon wieder hervor. Sie können ja nun etwas beruhigter abreisen und darum sollten Sie auch die Ihnen so nothwendige Erholung nicht so spät hinausschieben. Für Ihren Rheumatismus sollten Sie durch den täglichena Genuß einer Flasche Fachinger, wie ich es seit 10 Jahren thue, prophylaktisch || wirken. Unerhört, daß ich Ihnen medicinischen Rath zu geben wage. Sie sind doch solch geschickter Arzt, indem Sie mir nach sehr, sehr bitterer Medicin einen süßen Bonbon hinterher verabreichen! –
Die bittere Pille ist Ihr Ablehnen meiner Reisegesellschaft und der süße Trost Sie hier begrüßen zu dürfen. Machen Sie es aber auch wirklich wahr. Ich werde Alles daran setzen, daß Sie dann recht || gemüthliche Tage mit fidelen Stunden verbringen sollen. Im Oktober ist’s so schön am Rhein! –
Ich werde Mitte August wohl reisen, fühle, daß ich heraus muß.
Wenn ich das erreicht hätte was Sie erreicht haben, so leicht sollte mich da nichts anfechten und nach so viel großem Schaffen müssen Ihnen noch ungezählte Genüsse blühen. Sie gehören aber nicht nur der Familie, sondern der ganzen Welt an. Also Muth, verehrtester Freund. Nicht alles so schwer nehmen, das thun aber die Nerven eben, wenn sie herunter sind. Viele || herzliche Grüße in der Hoffnung eines nicht zu fernen Wiedersehens
Ihre
treu ergebene
Käthe Besser
22.7.99.b
a eingef.: täglichen; b Text weiter auf S. 1: herzliche Grüße…22.7.99.