Käthe Besser an Ernst Haeckel, o. O., 3. Oktober 1898
Verehrtester Herr Professor
In Ihren Werken sind so oft Tafeln die Entwickelungs-Bilder aufwärts steigend, bringen. Ich schicke Ihnen heute zur Variation eine abwärts gehende. Das letzte Bild welches ich in diesen Tagen für Sie anfertigen liess, weist schon recht deutlich auf die Nothwendigkeit des Ofens mit nachfolgender Aschen-Urne hin, mein Mann findet es so „abscheulich“ dass ich’s Ihnen nicht senden sollte. Das andre von 94. habe ich mal bei Gelegenheit eines lebenden Bildes das ich stellte, anfertigen lassen. Möchte Sie verehrter, lieber Herr Professor nun bitten, dasjenige zu wählen, welches Ihnen am wenigstens missfällt und die andern in den Ofen werfen oder mir mit der Post zurückzusenden, falls Ihnen das nicht zu viel Mühe verursacht. Hier das Bild meiner Ältesten; das meiner Jüngsten folgt in diesen Tagen nach, ich erwarte es täglich von dem Photographen, dera ja nie Wort hältb. Die Mädels selbst erwarte || ich Beide in 14 Tagen nach halbjähriger Abwesenheit zurück.
In Düsseldorf wars schauerlich. Das heisst meine Nerven streikten in einer noch nie dagewesenen Weise. Dass das böse Herz noch immer keine Ruhe findet! – Viel liebe Freunde und Bekannte brachte der Begrüssungs-Abend, besonders Ärzte und speciellb Psychiater. Auf Ball, Festessen, Abschiedstrunk verzichtete ich wegen meiner Schlaflosigkeit. Gute Freunde rathen mir zu einem Aufenthalt bei Fischer in Konstanz. Man hält mich halt wohl für psychisch. Ich kehrte eher aus Düsseldorf zurück wie mein Mann, der tapfer aushielt. Gestern müssen Sie einen zauberhaften Tag in Badens Wäldern verlebt habe, Luft und Beleuchtung waren einzig schön. Sie werden || nach Ihrer gewissenhaft befolgten Kur gewiss wie ein Jüngling nach Ihrem trauten Jena zurückkehren. Mit der Riviera-Reise – wird es nichts werden „es wär zu schön gewesen.“ Sie vergessen das hohe Alter meines Doktors und ich würde es nie wagen eine so weite Reise im Mai wird er 79 – so quasi in seinem 80. Lebensjahr mit ihm zu machen. Die Kost die ich seit vielen, vielen Jahren sorgfältigst für ihn bereite, bekommt ihm draussen nicht. Dann kommen noch so viele Gewohnheiten und Pedanterien hinzu, die das Reisen immer gewagter machen. Und allein wollen und können Sie mich doch nicht mitnehmen?
So will ich mich nicht erst || in den schönen Traum hineinwiegen um nachher nicht eine zu harte Enttäuschung zu erleben.
Wissen Sie auch verehrtester Herr Professor, dass ich Ihr Bild in drei Auflagen besitze? Das – dritte ist das Bild in den indischen Briefen. Wenn ich nur das mich beständig quälende Gefühl los werden könnte, dass ich Sie unbescheiden oft mit meiner Feder – so à la Frau Stromberg – heimgesucht habe. Ich will mich dann gewiss bessern. Aber einen Gruss aus Baden-Baden erhalte ich wohl noch! Mit warmen Grüssen und Wünschen für Ihr Befinden
Ihre
treu ergebene
Käthe Besser.
3.X.98.
a korr. aus: die; b korr. aus: halten; c eingef.: speciell